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Stigmata

Edelkitsch um katholischen Okkultismus

USA 1999

 Regie: Rupert Wainwright                   

 Laufzeit: 103 Minuten

 

Handlung: Eine junge Frau, die mit Religion nichts am Hut hat, findet plötzlich verstörende Wundmale an ihrem Körper vor. Der Vatikan bekommt Wind von diesen mirakulösen Stigmata, sieht in ihnen die Kreuzigungswunden des Heilands und schickt einen Geistlichen, um sich die Sache anzusehen. Der bekommt es bald mit der Angst, denn offensichtlich sind dunkle Kräfte am Werk.

 

Besprechung: Ende der 1990er, Anfang der 2000er kamen ein paar Mystery- und Gruselstreifen in die Kinos, in denen christliche Motive rund um Teufel, Apokalypse, Wunder und Besessenheit eine Rolle spielten. Von „End of Days“ (1999, mit Arnold Schwarzenegger) über „Resurrection“ (1999, mit Christopher Lambert) und „Lost Souls“ (2000, mit Winona Ryder) bis eben zu „Stigmata“. Keiner dieser Filme ist tiefgründig, alle interessieren sich eher für den oberflächlichen Glamour der okkult wirkenden katholischen Mythen. Da passt es, dass Regisseur Rupert Wainwright bisher vor allem schicke Musikvideos gedreht hatte, und auch bei „Stigmata“ auf eine stylishe Optik mit damals angesagten Schnitten, Filtern und Effekten setzt. Dazu gibt es einen Soundtrack mit Titeln von Björk, Chumbawamba, Massive Attack oder David Bowie und eine Patricia Arquette, die immer irgendwie leicht verrucht oder zumindest „ziemlich locker“ wirkt. Wer also eine Dosis 90er-Vibes abgreifen will, ist hier genau richtig.

Die Geschichte um mysteriöse Wundmale und ein von der katholischen Kirche unterdrücktes Evangelium von Jesus höchstpersönlich, nimmt sich etwas dünn aus und hängt vor allem in der Mitte durch. Da hilft auch die erotische Spannung zwischen dem vom Vatikan entsandten Priester (Gabriel Byrne) und der Frisörin nur bedingt. Man kann diese Szenen ruhig als katholisches Cringefest bezeichnen. Wer allerdings einen Crush auf Byrne und/oder Arquette hat, sieht darüber wahrscheinlich wohlwollend hinweg. Für Horrorfans wird hier nicht allzu viel geboten, denn gruselig, schockierend oder brutal ist der Film eigentlich nicht. Vor allem, wenn man ihn mit einem offensichtlichen Vorbild wie „Der Exorzist“ (1973) vergleicht. Dafür kann „Stigmata“ immerhin hin und wieder mit Atmosphäre (und ein paar Szenen wie aus einem New-Metal-Sadomaso-Musikvideo) punkten. Alles in allem ist das (auch dank der guten, aber unterforderten Darsteller) einfach ein netter Film mit hübscher Optik und ohne lästige Ambitionen. Genau das Richtige für einen schlaffen Sonntagnachmittag. Wem das zu laff ist, der findet womöglich mehr Gefallen an neueren Horrorfilmen mit christlichen Motiven wie „Immaculate“ oder „Das erste Omen“.

 

Trivia: Lustigerweise wurde das Drehbuch von Tom Lazarus geschrieben (zusammen mit Rick Ramage).

Gabriel Byrne, der hier den Priester mimt, spielte im gleichen Jahr in einem anderen Film namens „The End of Days“ den Teufel, der Arnold Schwarzenegger ans Leder will. Vor seiner Schauspielkarriere verbrachte Byrne tatsächlich fünf Jahre in einem Priesterseminar.

Das Evangelium nach Thomas ist ein sogenannter apokrypher („dunkler“, „verborgener“) Bibeltext, also einer, der nicht in den Kanon des Alten oder Neuen Testaments aufgenommen worden ist. Die Gründe dafür waren in der Regel, dass man den Text nicht zuordnen und als authentische Quelle verifizieren konnte. Der Film tut so, als wolle die katholische Kirche dieses 1945 in Nag Hamadi (wieder) gefundene Manuskript unterschlagen, um ihre Vormachtstellung nicht zu gefährden. Tatsächlich aber dürften andere Gründe dazu beigetragen haben, dass schon die Kirchenväter der Antike den Text zu den Pseudoevangelien zählten: Er ist über 300 Jahre nach dem Jesu Tod entstanden, behauptet aber, vom Apostel Thomas verfasst worden zu sein. Auch weichen die wiedergegebenen Jesusworte („Logien“) theologisch von den vier älteren Evangelien ab und lassen sich gedanklich weder rein dem Urchristentum zuordnen noch der Gnosis (wie es manche Wissenschaftler*innen behauptet haben). Eine komplizierte Geschichte. Verfasst wurde das Thomasevangelium in Koptisch, der jüngsten ägyptischen Sprache, die vom 3. bis ins 19. Jahrhundert gesprochen wurde. Im Film wird behauptet, der Text sei auf Aramäisch geschrieben. Ein weiterer Fehler, der Religionshistoriker aufmerken lässt: Als Frankie angeblich etwas in Aramäisch an die Wand schreibt, handelt es sich dabei um irgendwelche anderen Schriftzeichen, die in den Augen des Regisseurs cooler aussah.

 

IMDB: 6.2 von 10

Letterboxd-Rating: 2.8 von 5                                                                                                      

Neft-Rating: 2.5 von 5

 

 

 

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