Mehr Budget, weniger Horror

• Großbritannien 1958
• Regie: Terence Fisher
• Laufzeit: 89 Minuten
Handlung: Nach den Ereignissen aus „Frankensteins Fluch“ taucht der sinistre Baron unter und beginnt unter dem Namen „Stein“ als Arzt in einer deutschen Kleinstadt zu praktizieren. Dabei wendet er sich auch aufopferungsvoll den Ärmsten der Armen zu. Das allerdings nicht ganz ohne Hintergedanken. Der städtischen Ärztekammer ist der erfolgreiche Neuankömmling ein Dorn im Auge. Bis auf Dr. Kleve, der in die Geheimnisse des wackeren Mediziners eingeführt werden will. Bald zucken wieder Blitze durchs Laboratorium.
Besprechung: „Frankensteins Fluch“ von 1957 war nicht nur ein ausgesprochen erfolgreicher Horrorfilm, sondern einer der erfolgreichsten britischen Filme überhaupt. Kein Wunder, dass schon ein Jahr später der Vorhang wieder aufging für Peter Cushing bzw. Baron Frankenstein, diesmal allerdings ohne Christopher Lee als furcht- und mitleiderregende Kreatur. Diesmal spielt Michael Gwynn das Geschöpf, das nun ein Hybrid aus dem Hirn des halbseitig gelähmten Karl und einem prächtigeren Körper ist, und somit eine besonders tragische Figur. Tatsächlich ist der Film oft mehr Drama als Horrorfilm und kommt erst im letzten Viertel in dieser Hinsicht etwas mehr aus sich heraus, ohne dabei allerdings an den Vorgänger heranzureichen. Auch ist Frankenstein diesmal nicht so abgrundtief böse, zumindest bekommen wir davon nicht so viel mit. Natürlich treibt er immer noch mit fragwürdiger Entschlossenheit seine Experimente voran, aber moralische Entgleisungen wie in „Frankensteins Fluch“ bleiben leider ebenso aus, wie die titelgebende Rache.
Das höhere Budget allerdings verhilft dem Film zu mehr Schauplätzen, mehr Statist*innen und mehr Darsteller*innen. Kurz: Es ist mehr los auf der Leinwand, und vieles davon ist auch recht unterhaltsam. Zum Beispiel der bauernschlaue Tagedieb, der irgendeine nicht näher benannte Funktion im Armentrakt der frankensteinschen Praxis spielt. Das Klassenthema, das Regisseur Terence Fisher und Drehbuchautor Jimmy Sangster schon im ersten Teil unterbringen konnten, wird hier noch offensiver aufs Tapet gebracht. Die Unterschicht ist auf die Güte der „guten“ Bürgersleute angewiesen, aber auch genauso deren Ausbeutung ausgesetzt. Baron Frankenstein ist dabei nur die grell schimmernde Spitze des Eisbergs. Dabei wissen die Bettler und Tagediebe trotz ihrer begrenzten Ressourcen durchaus, wie der Hase läuft, und wissen sich im Ernstfall auch zu organisieren.
Alles in allem ist das ein Film, der genug interessante Ideen enthält, um nicht zu langweilen, der aber mehr noch als sein Vorgänger an einem Plot leidet, der nicht zwingend genug ausfällt. Hin und wieder fragt man sich während des Films, wohin das Ganze eigentlich gehen soll und ob beispielsweise ein Kneipengespräch von dieser Länge für die Handlung maßgeblich ist. Schön coloriert und gefilmt ist „Frankensteins Rache“ aber auf jeden Fall und die Kulissen sind in ihrer Puppenstubenhaftigkeit wirklich allerliebst.
Trivia: Drehbuchautor Jimmy Sangster hatte sechs Wochen Zeit, um sich ein Skript auszudenken, das unter anderem erklärte, warum Baron Frankenstein nach den Ereignissen im Film davor, bester Gesundheit war.
Gedreht wurde teilweise in den Kulissen von „Dracula“ (1958), den Terence Fischer kurz vorher fertiggestellt hatte.
Ein Kritiker des Daily Telegraph schrieb 1958, dass der Film so schrecklich sei, dass die BBFC eine neue Kategorie für Filme wie diesen einführen solle: „For Sadists Only“.
Wer sich wundert, warum das im Film gezeigte Menschenhirn so klein ist: Es stammte von einem Schaf.
Die im Film mitspielende Schimpansin hatte während der Dreharbeiten laut Peter Cushings Memoiren einen Narren an ihm gefressen. Jeden Morgen begrüßte sie ihn mit einem saftigen Schmatzer.
Es existieren allen Ernstes gleich drei spätere Romanfassungen des Films.
IMDB: 6.7 von 10
Letterboxd-Rating: 3.4 von 5
Neft-Rating: 3 von 5
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