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Session 9

Kleiner, aber starker Psychogrusler

 USA 2001    

 Regie: Brad Anderson                          

 Laufzeit: 100 Minuten

 

Handlung: Unter der Leitung von Gordon Fleming soll ein kleines Team in einer verlassenen Nervenheilanstalt Asbest beseitigen. Die klaustrophobische und düstere Atmosphäre des seit Jahren verlassenen Gemäuers schlägt den Arbeitern jedoch schnell aufs Gemüt. Als einer von ihnen auf einen alten Ton-Recorder mit den dazugehörigen Bändern stößt, kommen düstere Geheimnisse zu Tage. Doch noch fehlt das letzte Tape: 'Session 9'.

 

Besprechung: Ich mag diesen Film sehr. Die Farbwelt ist zwar ziemlich unspektakulär und sieht auf den ersten Blick aus wie bei einer typischen TV-Produktion, aber die Geschichte ist richtig gut und die Darsteller agieren deutlich über dem Durchschnitt. Auch zeigt die Kameraarbeit Ambitionen, die zum Glück auch auf Talent treffen. Der Score ist zurückhaltend und kreativ und trägt zu zunehmend dichten Atmosphäre dieses zurückhaltend inszenierten, fiesen Gruslers bei.

 

Ich finde es aufschlussreich "Session 9" mit einem scheinbar ähnlichen Film wie "Terrified" aus dem Jahr 2017 zu vergleichen. Beide Filme gelten als "psychologischer Horror", beide sind nicht besonders teuer in der Produktion gewesen, beide spielen fast ausschließlich an einem Schauplatz und beide können keine A-Liga-Schauspieler ins Feld führen. Und beide lassen in ihrer Erzählweise Lücken, die ich als Zuschauer selbst schließen kann. Während ich aber "Terrified" einfach nur schlecht finde, kann ich "Session 9" empfehlen. Was ist der Unterschied?

 

"Terrified" legt gleich mit Gruselszenen und Effekten los, führt kurz Figuren ein, die dann wieder egal werden, und die auch so geschauspielert sind, als ob sie egal wären. Dann kommen weitere Gruselszenen, von denen manche durchaus kompetent inszeniert sind, aber sie sind alle austauschbar. Ob in dem einen Haus eine Hand aus der Wand kommt oder im anderen ein nackter Mann unterm Bett liegt: Es ist egal, weil es um nichts anderes geht als um diese Effekte, zu denen man sich dann irgendeinen Kram zusammendenken kann. Sicher könnte einem der Regisseur irgendetwas über die dämonische Fluidität des Wassers erzählen und über die subjektive Perspektive, die Dämonen in die Welt bringen usw. usf. Alles in allem ist das aber ein Film, der in meinen Augen keine Substanz hat. Er wirkt, als ob die Macher ein paar Filme gesehen haben, und nun auch einen Film machen wollen, nicht so, als ob sie etwas erlebt und erfahren haben, und das in einem Film ausdrücken wollen.

 

Session 9 ist anders. Hier gibt es keine Effekte, um der Effekte willen, sondern es gibt eine komplexe, auf Synchronizitäten basierende filmische Reflexion über das Gebrochene und Dämonische in uns, und über unsere Anfälligkeit gegenüber einer Außenwelt, die unsere Innenwelt mitbestimmen kann. Wie alle guten Horrorgeschichten basiert das Grauen nicht auf dem Unbekannten irgendwelcher Höllengeister, sondern auf dem Unheimlichen im freudschen Sinne, also dem nur allzu bekannten, das aber verdrängt worden ist. 

 

Nicht alles an Session 9 ist rund. Das Pacing könnte besser sein, die Geschichte ist nicht so originell und tiefgründig, wie zum Beispiel "The Shining" oder "Wenn die Gondeln Trauer tragen" (von denen sich "Session 9" sicher auch hat inspirieren lassen, und die Optik ist – wie gesagt – leider nicht allzu inspirierend. Aber diese Geschichte um plausibel inszenierte Männer der Arbeiterklasse, die miteinander auf ungute Weise verstrickt sind, ist spannend und verstörend und bedrückend, und bringt mich mir selbst näher.    

 

Trivia: Auf der DVD gibt es ein paar Zusatzszenen, die den Inhalt etwas klarer machen könnten. Aber ich finde, dass dieser Film, anders als Terrified, emotional auch dann stimmig und durchdacht wirkt, wenn man nicht jedes Detail einordnen kann.

 

Gedreht wurde der Film hauptsächlich im Danvers State Hospital, genauer gesagt in dessen „Bonner Medical Building“. Das Drehbuch wurde von Brad Anderson und Stephen Gevedon sogar extra auf diesen Schauplatz hin geschrieben. Regisseur Anderson war auf die Idee gekommen, weil er auf dem Weg zur Arbeit jeden Tag an dem Gebäudekomplex vorbeifahren musste.

 

Die Schauspieler Peter Mullan und David Caruso berichteten beide von der unheimlichen Atmosphäre am Set und ungewöhnlichen Wahrnehmungen, die sie dort machten.

 

Session 9 ist einer der ersten Spielfilme, der die 24P HD-Videokamera von Sony benutzte. Diese nimmt 24 Frames pro Sekunde auf, während damals andere NTSC-Video-Kameras 30 Frames pro Sekunde aufnahmen. Die Cinematographin Uta Briesewitz konnte so Bilder mit tiefem Fokus erschaffen und dabei hauptsächlich auf natürliche Lichtquellen setzen.

 

IMDB: 6.4 von 10

Letterboxd-Rating: 3.2 von 5                                                                                                      

Neft-Rating: 3.5 von 5

 

 

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