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Cuckoo

Unausgegorenes Gruselgebräu trotz toller Zutaten

 Deutschland, USA 2024    

 Regie: Tilman Singer                          

 Laufzeit: 103 Minuten

 

Handlung: Gretchen ist 17 Jahre alt und genervt. Ihr Vater hat seit Längerem eine Neue samt 8-jähriger, stummer Tochter, und als wäre das nicht befremdlich genug, soll sie nach dem Tod ihrer Mutter mit der neuen Familie Zeit in den bayrischen Alpen verbringen. Vater und die neue Frau sollen dort nämlich als Architekten für einen gewissen Herr König seinen Hotelkomplex „Resort Alpschatten“ neugestalten. Gretchen, die für den Trip ihre Heimat in den USA verlässt, fühlt sich von Anfang an in Deutschland unwohl: Sie vermisst ihre tote Mutter, findet sich in der neuen Familienkonstellation nicht zurecht und hält das Resort und Herr König für zwielichtig. Und dann gibt es auch noch diese unheimliche Klinik in der Nähe des Hotels.

 

Besprechung: Es ist toll, dass deutsche Filmfördertöpfe mal einen Film mitfinanzieren, der durchaus rustikale Genre-Unterhaltung mit einem cronenberg-artigen Plot bietet. Normalerweise ist die deutsche Filmförderlandschaft komplett zugeknöpft, wenn es um „pädagogisch wertlosen“ Horror und um Phantastik geht, entsprechend wenige Beiträge kommen aus dem Land mit seinen immerhin gut 80 Millionen Einwohnern. "Cuckoo" ist eine der erfreulichen Ausnahmen. Gerade dank der Förderungen konnte der junge Regisseur Tilman Singer mit starkem Cast und 7 Millionen Dollar Budget seine eigenwillige Schauermär verwirklichen.

 

Mit Hunter Schafer hat er eine gute Wahl getroffen. Sie spielt die Hauptfigur eindrucksvoll und facettenreich, scheint sich allerdings in einem anderen Film zu bewegen als der Rest. Denn während sie (und vielleicht noch ihr Vater, gespielt von Marton Csókás) sich in einem ernsten Gruselfilm mit Dramaelementen aufhalten, hat der Rest der Truppe eher Jux und Gaudi im Sinn und gefällt sich in einem Overacting, das einerseits nach typisch deutscher Theaterschule müffelt, andererseits dem Film etwas Parodistisches verleiht. Das ist angesichts der hanebüchenen Geschichte keine schlechte Herangehensweise, beißt sich aber mit den ernsten und dramatischen Ansätzen. Dan Stevens (bekannt aus „Ich bin dein Mensch“ oder „Abigal“) wirkt als Herr König von Anfang an so unseriös, dass man nicht weiß, ob man lachen, oder sich angewidert abwenden soll. Soll das hier eine Trash-Variante von „A Cure for Wellness" werden, oder meinen die das ernst?

 

Das Setting gefällt mir sehr: Deutschland kann so schaurig sein, gerade altbacken eingerichtete Hotels in der Provinz. Ein Zettel in der Rezeption, auf dem steht „Kopierer kaputt!“ – Deutschland in a nutshell. Hier hat der Film, der größtenteils so wirkt, als spiele er in den 1990ern, durchaus seinen Charme. Den hätte er in meinen Augen aber noch mehr ausspielen können. Genau wie das Setting. Von den Alpen sieht man fast nichts, die Topographie des Ortes bleibt unklar.

 

Cinematographie und Score sind überdurchschnittlich gut und tragen dazu bei, dass "Cuckoo" ein paar starke Gruselszenen gelingen. Leider reißt der Film aber immer wieder mit dem Arsch um, was er mit den Händen aufgebaut hat: Wenn beim Ruf des Kuckucks das Bild wackelt wie in einer alten TV-Folge "Anderland" und immer wieder ein vibrierender Kehlkopf eingeblendet wird, frage ich mich schon, ob mich die Macher des Films verarschen wollen. Und auch die italienische Popnummer zum finalen Shoot-Out ist die Art von Coolness und Lustigkeit, die ich (auch) in diesem Film nicht gebraucht hätte. Es wirkt so, als ob Singer diesmal mit Blick nach Hollywood seiner eigenen Vision nicht voll vertraut hätte. So erkläre ich mir auch, dass der eigentlich originelle Film manchmal auf althergebrachte Horrorstandards verfällt.

 

Das ist durchaus ein interessanter Beitrag zum Genrekino mit viel Potenzial und starken Ansätzen, aber die unausgegorene Tonalität und der alberne Plot verhindern in meinen Augen, dass daraus ein rundum gelungener Film wird. Schade, aber hoffen wir einfach Mal, dass Tilman Singer noch richtig in Fahrt kommt. Hunter Schafer ist ja eh schon auf der Überholspur.    

 

Trivia: Seine Weltpremiere hatte „Cuckoo“ am 16.2.2024 auf den Berliner Filmfestspielen. Dann dauerte es trotz anderer Pläne bis zum 9. August, bis der Film in den USA in die Kinos kam. Eigentlich sollte er zur gleichen Zeit auch in Deutschland gezeigt werden. Vermutlich wurde der Starttermin vom deutschen Verleih „Weltkino“ verschoben, um nicht mit „Longlegs“ konkurrieren zu müssen, der ab dem 9. August das Horrorpublikum aufmischte. 

 

Die Mehrheit der Filmaufnahmen wurden nicht in Bayern, sondern in Nordrheinwestfalen gemacht. 

 

„Cuckoo“ wurde in 35 Tagen und auf 35 Millimeter gedreht

 

Tilman Singer, der auch das Drehbuch schrieb, drehte 2018 den Horrorfilm „Luz“. Bei dem experimentierfreudigen Film mit Anklängen an den italienischen Giallo handelt es sich um Singers Abschlussarbeit an der Internationalen Filmschile Köln. 

 

Tilman Singer hat keinen deutschsprachigen Wikipedia-Eintrag.

 

IMDB: 6.4 von 10

Letterboxd-Rating: 3.1 von 5                                                                                                      

Neft-Rating: 2.5 von 5

 

 

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