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Alien: Romulus

Coole Hommage an die ersten beiden Alien-Filme

 USA 2024    

 Regie: Fede Alvarez                          

 Laufzeit: 119 Minuten

 

Handlung: Die junge Rain arbeitet unter schlechten Bedingungen in einer Minenkolonie, in der ihre Eltern bereits gestorben sind. Zusammen mit ein paar Freunden und ihrem „Bruder“, dem Androiden Andy, will sie die miesen Zustände auf dem Planeten ohne Sonnenlicht hinter sich lassen. Der nächste bewohnbare Planet ist allerdings neun Flugjahre entfernt. Deswegen kommen die jungen Leute auf die Idee, zu einer stillgelegten Raumstation zu fliegen, um dort Kälteschlafvorrichtungen zu klauen. Ganz allein sind die auf der Station dann natürlich nicht. 

 

Besprechung: Gleich in den ersten fünf Minuten dachte ich im Kino: Dafür wurde die große Leinwand geschaffen. Plötzlich steht man zwischen den blinkenden Geräten einer Raumstation, alles wirkt körperlich, greifbar, nah. Dazu Sounds, die den plastischen Eindruck verstärken: wuchtig und dynamisch. Der traditionelle bis entrückte Orchesterscore von Benjamin Wallfisch (u.a. „Lights Out“, A Cure for Wellness“, „Es“ oder „Blade Runner 2049“) verstärkt das großartige Gefühl, in ein cineastisches Erlebnis alter Schule geraten zu sein. Vergessen ist der sterile Look von „Covenant“ und „Prometheus“, vergessen sind die neueren Star-Wars-Filme, die immer mal wieder so wirken, als gucke man das Playthrough eines hübschen Computerspiels. Dem fast schon Unkörperlichen heutiger Technik setzt Alien: Romulus eine wundervoll analoge Steampunk-Version der Zukunft entgegen: schwere Flügeltüren, die metallisch gegeneinanderschlagen, Knöpfe, die man mit Kraft drücken muss, rostige Container, rauchende Schlote, Androiden, die quasi per Diskette rebooted werden, Computerbildschirme wie aus den 1980ern. 

 

Fede Alvarez siedelt seinen Alien-Film in der Chronologie des Franchise zwischen „Alien“ und „Aliens“ an und inszeniert entsprechend eine Hommage an die beiden beliebtesten Filme der Reihe. Wie er schon bei „Evil Dead“ (2013) und „Don’t Breathe“ (2016) demonstriert hat, liegt sein Augenmerk auf Krawall und Spannung. So ist Alien: Romulus mehr ein Horror- als ein Science-Fiction-Film. High-Concept-Ideen wie in „Prometheus“ oder „Covenant“ spielen hier keine Rolle. Dennoch gelingt Alvarez mit der Figur des Andy der in meinen Augen beste Android der Reihe. Den Blick von David Jonsson, der diese Rolle großartig spielt, werde ich so schnell nicht vergessen. Mit dieser Figur verbinden sich Fragen, die wir schon aus anderen Alien-Filme kennen: Was ist menschlich? Mit welchem Recht nutzt die eine Spezies die andere aus? Was macht Kolonisation mit unserem Verständnis von Berechtigung zur Gewalt und Ausbeutung? Wann richten sich unsere Schöpfungen gegen uns? Sind wir nicht selbst in erster Linie nur Geschöpfe?

 

Alien: Romulus bietet sicher kein philosophisches Seminar und ist vor allem ein handfester Body-Horror- und Terrorfilm im Weltraum. Die Xenomorphs sehen in allen Stadien Klasse aus und die praktischen Effekte liebäugeln mit der Grenze zur FSK 18. Nur das letzte „Monster“ finde ich nicht rundum gelungen. Da ist das „Baby“ aus „Alien Die Wiedergeburt“ doch noch mal ein anderer Schnack. Und wo wir bei den Schwächen des Films sind: In Sachen Plausibilität nimmt es das Drehbuch nicht so genau. Schwanger im Kälteschlaf? Ein Countdown von zehn Minuten und keiner wird hektisch? Biester, die in wenigen Minuten groß werden? Sehr schneller Stoffwechsel, jaja. Und am Ende dachte ich beim zweiten Sehen des Films: Alvarez haut auf den Putz wie jemand, der Angst hat, mit seinen großen Vorbildern nicht mithalten zu können. Dabei ist das gar nicht nötig: Wer die Schwerelosigkeit im Weltraum so schön ins Alien-Universum bringt, kann sich auch mal entspannt zurücklehnen. In manchen Sequenzen am Ende wäre wahrscheinlich etwas inszenatorische Zurückhaltung besser gewesen.

 

Und klar: Caileen Spaney (u.a. „Civil War“) ist keine Sigourney Weaver. Sie ist das integre Mädchen von nebenan, das im Angesicht der Gefahr zeigt, was in ihm steckt – aber keine Ikone wie Lt. Ripley. Auch der Rest der Crew ist (abgesehen vom Androiden Andy) nicht gerade markant, aber eben auch nicht nervig, unsympathisch und bescheuert wie die meisten Figuren in den Teilen 3 bis 6 der Alien-Filme

 

Alien: Romulus bietet viel Fanservice. Schon die Eröffnungsszene zitiert klar den Beginn von „Alien“. Und gen Ende schlüpft Rain nicht wie weiland Ripley aus ihrem Weltraumanzug raus, sondern in ihn hinein. Die Zeiten sind also prüder geworden, aber kapitalismuskritisch geblieben. Der Weyland-Yutani-Konzern ist immer noch ein Arschloch, Fluchtursachen in Ausbeutung begründet und die (Lohn-)Sklav*innen viel menschlicher als ihre Herr*innen. Mir haben die Anspielungen und Reminiszenzen gut gefallen (auch der digital eingefügte Legacy-Charakter). Und ja: auch die „Dad-Jokes“, die Andy von seinem Programmierer eingespeist bekommen hat. All das unterstreicht die Ausrichtung des Films: eine coole Hommage an die alte Schule und die großartige Zeit, als der xenomorphe Horror ins Weltall kam.   

 

Trivia: Fede Alvarez ließ sich nicht nur (vor allem) von den ersten beiden Alien-Filmen inspirieren, sondern auch von dem 2014 auf den Markt gebrachten Computerspiel „Alien: Isolation“, dessen unheimliche Atmosphäre der Uruguayer großartig fand. 

 

Für die Gestaltung der Xenomorphs, Sets und Miniaturen griff Alvarez vor allem auf die Firmen „Legacy Effects“ und „Studio Gillis“ zurück, bei denen einige der Menschen arbeiten, die bereits die Effekte für Aliens – Die Rückkehr (1986) gemacht haben. 

 

Eigentlich sollte der 80 Millionen Dollar teure Film gleich auf der Streaming-Plattform Hulu veröffentlicht werden. Zum Glück entschied man sich dann doch für eine Aufführung im Kino.

 

Das ist der erste Alienfilm, in dem keines der liebgewonnenen Eier gezeigt wird, aus denen die Facehugger schlüpfen.

 

IMDB: 7.5 von 10

Letterboxd-Rating: 3.7 von 5                                                                                                      

Neft-Rating: 4 von 5

 

 

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