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The Sacrament

Makaberer Found Footage nach wahrem Fall

 USA 2013    

 Regie: Ti West                          

 Laufzeit: 99 Minuten

 

Handlung: Zwei Journalisten vom Vice-Magazin und ein Kameramann machen sich auf den Weg in eine abgelegene Region Lateinamerikas, da sich die Schwester des einen Journalisten dort einer Aussteiger-Kommune angeschlossen hat. Früher war sie drogensüchtig, jetzt schwört sie auf die Gemeinschaft „Eden Parish“, die ihr Essen selbst anbaut und unter der Anleitung eines älteren Mannes lebt, der sich „Vater“ nennen lässt. Natürlich sind die drei Großstädter vom hippen Magazin skeptisch, was diese sektenähnliche Gemeinde betrifft. Sie können aber nicht ahnen, wie groß die Schwierigkeiten sind, in denen sie bald stecken. 

 

Besprechung: Nach den gelungenen Horrorfilmen „House of the Devil“ und „The Innkeepers“ und vor seiner auf Mia Goth zugeschnittenen Reihe mit den Filmen „X“, „Pearl“ und „MaXXXine“, drehte Ti West diesen eigenwilligen und eher weniger bekannten Found-Footage-Film. „The Sacrament“ will vorgaukeln aus Filmmaterial zusammengefügt zu sein, dass die Vice-Crew live vor Ort gedreht hat, auch wenn die häufigen Musikuntermalungen die Glaubwürdigkeit etwas auf die Probe stellen. Gehen wir einmal wohlwollend davon aus, dass diejenigen, die den Film aus gefundenem Material (found footage) zusammengestellt haben sollen, ihn eben mit dramatischer Filmmusik unterlegt haben. Sonderbarer als die Musik ist ohnehin, dass der Film in der Gegenwart, also 2013, spielen soll, aber ganz eindeutig den Peoples Temple in Guyana und den Sektenführer Jim Jones als Vorbild hat. Wer die reale Geschichte hinter dieser 1978 "aufgelösten" Gemeinschaft kennt, weiß auch, was ihn im Film erwartet. Und stellt sich womöglich die Frage, warum man sich abgesehen von den Dokumentationen, die es zu den Ereignissen in „Jonestown“ gibt, noch einen fiktiven Film angucken sollte, der Zeit, Ort und Namen geändert hat, ansonsten aber wenig. Auch der echte Jim Jones ließ sich „Vater“ nennen, hatte eine Geliebte namens „Carolyn“ und trug gerne Sonnenbrillen. Sogar die Struktur der Gruppe, die zu 70 Prozent aus Schwarzen bestand, gibt der Film wieder, und auch die Rhetorik von „Vater“ zeigt, dass sich die Filmemacher gründlich mit Jim Jones beschäftigt haben. Will man so etwas als Horrorfilm sehen?

 

Ich bin hin- und hergerissen. Einerseits stehe ich dem ganzen „true crime“-Genre skeptisch gegenüber. Zu schnell schleichen sich Sensationsgier und Voyeurismus sowohl bei den Machern als auch beim Publikum ein, wenn man sich mit extremen Verbrechen oder spektakulären Sekten befasst, und den Angehörigen oder Nachfahren der Opfer dürfte manches Format mehr als einen Stich im Herzen verursachen. Andererseits ist dieser Film kenntnisreich und behutsam gemacht und verrät mehr Erkenntnisinteresse als Schockabsicht. Womöglich befasst sich so mancher Horrorfan durch „The Sacrament“ erstmals etwas genauer mit der Dynamik in Sekten im Allgemeinen und dem unheilvollen Ende von Jonestown im Speziellen. Die darstellerischen Leistungen sind gut, das Setting wirkt glaubwürdig, das Interview eines Vice-Journalisten mit dem „Vater“ vermittelt sehr gut ein Gefühl für die Macht, die eine manipulative und rhetorisch geschickte Person haben kann. Vor allem dann, wenn viele andere ihr diese Macht geben, ohne ihren eigenen aktiven Anteil daran zu erkennen. 

 

Gerade weil der Film sein Thema ernst nimmt, ist er kein typischer Horrorfilm, und dürfte einigen Menschen auf der Suche nach Grusel-Krawall zu langsam und zu nah am Drama sein. Andere wiederum, die sich von jump scares rund um „The Nun“ oder „Annabelle“ schon lange nicht mehr aus dem Sitz jagen lassen, könnten „The Sacrament“ deutlich ungemütlicher finden als Filme aus dem Conjuverse oder die typischen Darbietungen von Blumhouse. Interessant und gut gemacht ist er allemal, gerade Gene Jones als „Vater“ ist wirklich stark. Hätte ich nicht trotz allem weiterhin Bedenken wegen des realen Hintergrundes von „The Sacrament“ und fände ich das found-footage-Format total zwingend, würde ich dem Film eine höhere Punktzahl geben. Denn unter den Horrorfilmen, in denen Sekten vorkommen, ist dieser hier besonders realistisch, und stimmt besonders nachdenklich. Andererseits zeigt er nicht, und kann das in seinen 99 Minuten wahrscheinlich auch kaum, wie es zu den Ereignissen des realen Vorbildes kam. Und so bleibt „The Sacrament“ eine zwiespältige Angelegenheit. 

 

Trivia: Ursprünglich enthielt der Film noch etwa 30 Minuten mit Hintergrundinfos, die aber schließlich rausgeschnitten wurden. 

 

Die Szene, in der sich der Sektenführer (Gene Jones) von einem der Vice-Journalisten (A.J. Bowen) interviewen lässt, wurde in einem einzigen siebzehnminütigen Take aufgenommen.

 

Alle Hütten von „Eden Parish“, die man in „The Sacrament“ sieht, wurden extra für den Film gebaut.

 

Amy Siemetz, Joe Swanberg und AJ Bowen haben bereits zwei Jahre vorher in einem Horrorfilm zusammen vor der Kamera gestanden, nämlich in dem derben, schwarzhumorigen "You're Next".  

 

IMDB: 6.1 von 10

Letterboxd-Rating: 3 von 5                                                                                                      

Neft-Rating: 3 von 5

 

 

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