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Kill List

Verstörender und origineller Film jenseits von Genre-Grenzen

 Großbritannien 2011    

 Regie: Ben Wheatley                          

 Laufzeit: 95 Minuten

 

Handlung: Jay lebt als ehemaliger Soldat mit Frau und Kind im Eigenheim, aber da er kein Geld verdient, gibt es zunehmend Streit zwischen den Eheleuten. Schließlich lässt sich Jay von einem Freund aus Armeezeiten zu einem lukrativen Job überreden. 

 

Besprechung: Mehr als diese dürre Inhaltsangabe sollte man gar nicht wissen, wenn man sich auf Ben Wheatleys „Kill List“ einlässt. Der Film lässt sich nicht klar einem Genre zuordnen und das Publikum im Dunkeln, wohin sich die Geschichte entwickelt. Das macht einen Teil seines Reizes aus. Weitere Qualitäten des Films sind ein starkes Ensemble (darunter der britische Comedian Michael Smiley als Jays Freund Gal) und ein ungewöhnlicher Score, der von Anfang an eine bedrohliche Stimmung erzeugt, während die Bildwelt unglamourös und alltagsnah bleibt. Der Film sieht aus, als hätte es keine Farbkorrektur gegeben, fast wie ein selbstgedrehtes Familienvideo, wenn auch talentiert aufgenommen. Anfangs wähnt man sich in einem realistischen Soldaten-Drama, eine Essenssequenz erinnert sogar an „Szenen einer Ehe“ von Ingmar Bergmann. Dann nehmen die Thriller-Elemente zu und schließlich findet man sich in einem bitterbösen Horrorfilm wieder. Dabei fließen die Genres gut ineinander und erzeugen einen einzigartigen Film. 

 

„Kill List“ ist ziemlich brutal. Die im Film gezeigte Gewalt ist zu nah am Alltagsleben der Figuren, um wie in einer Splatterkomödie belacht zu werden. Zusätzlich schlagen die Themen des Films auf’s Gemüt, und die ambivalente Wirkung der Hauptfigur. Mit wem haben wir es da eigentlich zu tun? Sympathisieren wir mit ihm? Oder betrachten wir den durchschnittlich wirkenden Jay, der aber in sich eine furchteinflößende Energie birgt, lieber aus sicherer Distanz? Leidet er an einer posttraumatischen Belastungsstörung oder ist er womöglich generell ein Psychopath? Und ist Gewalt für die vermeintlich gute Sache nicht immer noch vor allem Gewalt? Wie auch immer man Jay einschätzt, er verbindet das Charisma eines Allerweltmannes mit psychischen Ausnahmezuständen zu einem aufregenden Filmcharakter.

 

Der ganze Film ist eindrucksvoll. Und während ich ihn geguckt habe, war ich mir sicher, dass ich ihm mindestens vier Sterne gebe. Allerdings habe ich in den nächsten Tagen nur wenig an ihn gedacht. Einen langen, starken Nachhall konnte „Kill List“ sonderbarerweise nicht bei mir erzeugen. Ich weiß nicht, woran das liegt, gebe aber deshalb „nur“ 3.5 Sterne und bin gespannt, was ich beim nächsten Mal denke, wenn ich diesen Film sehe. Ich vermute, es gibt noch einiges in „Kill List“ zu entdecken, der vermutlich weniger als realistischer Film erklärt, denn als symbolischer Film dechiffriert werden will.  

 

Trivia: Der Film hatte ein Budget von bloß 800.000 Dollar und wurde in drei Wochen gedreht.

 

Ben Wheatley schrieb das Drehbuch zu „Kill List“ zusammen mit Amy Jump, seiner Ehefrau.

 

Von Wheatley stammt auch der empfehlenswerte historische Horrorfilm „A Field in England“ (2013). Zuletzt drehte er mit wesentlich mehr Budget einen wesentlich schlechteren Film, nämlich „Meg 2: The Trench“ (2023). 

 

Als Jay und Gal im Film durch Tunnel rennen, wird ein Sound abgespielt, den Haie erzeugen. Ein Äquivalent zu den bekannteren „Wal-Gesängen“.  

 

IMDB: 6.4 von 10

Letterboxd-Rating: 3.5 von 5                                                                                                      

Neft-Rating: 3.5 von 5

 

 

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