Starker K-Horror über toxische Weiblichkeit
• Südkorea 2005
• Regie: Kim Yong-gyun
• Laufzeit: 108 Minuten
Handlung: Eine Frau ertappt ihren seit Längerem kühlen Ehemann beim Sex mit einer anderen Frau. Kurz darauf zieht sie mit ihrer kleinen Tochter in ein heruntergekommenes Appartement. Eines Abends findet sie in der U-Bahn ein Paar pinker High Heels und nimmt sie mit nach Hause in ihre Schuhsammlung. Von den Schuhen geht eine dämonische Anziehungskraft auf Mutter und Tochter aus. Wem haben sie ursprünglich gehört, und warum sterben manche der Frauen, die die Schuhe an sich nehmen?
Besprechung: Ja, das ist eine komplizierte Geschichte, und ja, durch die koreanischen Namen wird es für westliche Zuschauer nicht einfacher, und richtig, die Schuhe sind nicht rot, sondern pink. Was soll man machen? Dieser koreanische Horrorfilm gefällt sicher nicht allen, denn die Dramaturgie trudelt abseits bewährter Hollywood-Muster ins Ziel und die Geschichte ist an manchen Stellen im Rückblick arg unplausibel. Auch lassen sich Zutaten aus erfolgreichen japanischen Horrorfilmen wie „Ringu“, „Dark Water“ oder „Ju-on“ entdecken. Aber all das trübt kaum meine Liebe zu diesem tollen Film, dessen Stärken in meinen Augen klar überwiegen. Zum einen ist die Hauptdarstellerin Kim Hye-soo eine Wucht mit vielen Facetten, zum anderen sind Bilder, Sounds und Musik großartig. Vor allem aber gibt es ein paar Szenen echten Horrors, die nicht durch abgenutzte Techniken verdorben werden. Und das Ende im U-Bahn-Tunnel ist wirklich finster.
Spannend an dem Film ist in meinen Augen vor allem sein Blick auf Frauen: Die Hauptfigur ist stark und selbstbewusst, aber auch weich und verletzlich. Sie ist kühl und sinnlich, liebevoll und hasserfüllt (gerade gegenüber ihrer Tochter). Man könnte von einem progressiven Frauenbild sprechen, aber was es in dem Film nicht gibt, ist Solidarität zwischen Frauen. Vielmehr scheinen sich alle in einem von Neid und Eifersucht befeuerten Konkurrenzkampf um die Gunst der Männer zu befinden, der sich sinnbildlich um die „roten Schuhe“ entspinnt. Mehr dazu unter „Hopsys Gedanken“.
Wer sich auf den Film einlässt, begibt sich in einen Alptraum mit eigener Logik und einer Bildsprache, die eine düstere Mediation über die Doppelbödigkeit von „Weiblichkeit“ ermöglicht. Und über die Konflikte, die das Konzept für Frauen mit sich bringt.
Trivia: Auf Koreanisch heißt der Film „Bunhongshin“, was mein Translator als „rosa Gott“ übersetzt.
Der Film ist inspiriert durch das düstere Märchen „Die roten Schuhe“ von Hans-Christian Andersen aus dem Jahr 1845.
Die 108 Minuten lange DVD-Fassung weicht inhaltlich am Ende deutlich von der 103 Minuten langen Kinofassung ab und ist die Grundlage für die vorliegende Besprechung.
IMDB: 5.7 von 10
Letterboxd-Rating: 2.9 von 5
Neft-Rating: 4 von 5
//HOPSYS GEDANKEN
Der Begriff „toxische Weiblichkeit“ im Untertitel zum hier besprochenen Film, ist sicher erläuterungsbedürftig. Schon der Begriff toxische (also giftige) Männlichkeit ist umstritten, zumal er mittlerweile in den (sozialen) Medien oft und manchmal unreflektiert verwendet wird. Der Begriff „toxische Männlichkeit“ stammt aus der mythopoetischen Männerbewegung der 1980er, und meinte ursprünglich vor allem das besonders selbst- und fremdverletzende Verhalten von Männern am Rande der Gesellschaft. Feminist*innen nutzten den Begriff schließlich in einem weiteren Verständnis für Einstellungen und Verhaltensweisen, die „Männlichkeit“ vor allem durch Härte, Stärke, Dominanz, Überlegenheit über Frauen, Homophobie, Gewalttätigkeit, Emotionslosigkeit, Alkoholkonsum und tollkühne Risikobereitschaft definieren. Man könnte auch von den destruktiven Aspekten eines traditionellen Männerbildes sprechen. Während in den Augen der Männerbewegung zunächst nur Männer aus dysfunktionalen Familien zur „toxischen“ Variante des Mannseins neigten, konnten Feminist*innen den Blick auf typische Männlichkeiten als destruktiv ausweiten.
„Toxische Weiblichkeit“ soll ebenfalls Einstellungen und Verhaltensweisen beschreiben, die destruktive Auswirkungen haben, dabei allerdings mit traditionellen Prägungen als Mädchen und Frau verknüpft sind. Damit soll nicht gesagt sein, dass beide Arten der Toxizität gleichwertig oder gar gleich gefährlich sind. Auch soll mit „giftiger Weiblichkeit“ nicht der Hexen-Mythos beschworen werden, der unter anderem in der alleinlebenden, fremdartigen, psychisch kranken oder einfach nur alten (unnützen) Frau eine bedrohliche Dienerin des Teufels dingfest machen wollte. Vielmehr soll es um Prägungen gehen, die für Frauen und ihr Umfeld destruktive Auswirkungen haben. Der Film „The Red Shoes“ präsentiert einige davon eindrucksvoll. Schauen wir zunächst auf die Schuhe.
High Heels sind ein tolles, schillerndes Symbol. Sie stehen einerseits für Weiblichkeit, Selbstsicherheit und eine gewisse sexuelle Aggression, für das Betonen und Feiern der eigenen Attraktivität. Andererseits repräsentieren sie gleichzeitig eine Akzeptanz patriarchaler Verhältnisse, in denen die Frauen als langbeinige Rehe für den männlichen Blick aufbereitet durch die Gegend stolzieren, aber anders als die scheuen Fluchttiere aufgrund der unpraktischen und sehr unbequemen Schuhe nicht fliehen können. High Heels verkörpern Empowerment und Selbstverstümmelung, Selbstaufwertung und Unterwerfung unter die kulturellen Gegebenheiten. Im Film sorgen die pinken Schuhe dafür, dass die Frauen (und sogar ein kleines Mädchen) vor Gier völlig außer sich geraten und für den Besitz der Schuhe anderen Frauen Schmerzen zufügen würden. Das Toxische liegt somit nicht allein in der Bejahung der patriarchalen Verhältnisse, die mit der künstlichen Langbeinigkeit einhergeht, es liegt auch in der fehlenden Solidarität der Frauen, die lieber den Männern (und ihrem eigenen, geprägten Selbstbild) gefallen wollen, als mit anderen Frauen zu kooperieren. Zur toxischen Weiblichkeit gehört (selbst-) schädigendes Verhalten um (unbewusst) Erwartungshaltungen der patriarchalen Gesellschaft zu erfüllen. Dazu gehören die Unfähigkeit „Nein“ zu sagen oder eigene Wünsche direkt zu formulieren, bösartige Rivalitäten zu anderen Frauen, das Unterdrücken von Wut, das zu Groll verklumpen kann, Unterwürfigkeit, passiv-aggressives Verhalten, Intrige, aber auch die Weitergabe eigener Abwertungserfahrungen an die Töchter. Andere Facetten von „toxischer Weiblichkeit“ können das scheinbare Gegenteil dieser Überanpassung an Erwartungen sein, nämlich die Rolle des „männermordenden“ Luders, der Schlampe und Hure, wobei dadurch natürlich auch mit diesen Rollen patriarchale Erwartungen erfüllt werden.
Die Figur der Sun-jae in „The Red Shoes“ ist deshalb so interessant, weil sie nicht einfach eine simple Verkörperung weiblicher Angepasstheit oder Rivalität ist, sondern eine komplexe Figur, die wir zunächst einmal als Opfer wahrnehmen. Ihr Mann betrügt sie. Die Frau, mit der er das tut, trägt wie zum Hohn Sun-jaes High Heels. Dieser Frau ist also bewusst, dass sie sich den „Besitz“ einer anderen aneignet. Sun-jae ist aber auch eine entschlossen auftretende, sehr kontrollierte Geschäftsfrau, eine höchst ambivalente Mutter und eine ebenso ambivalente Liebhaberin, die gleichzeitig von ihrem männlichen Gegenüber erkannt und keineswegs durchschaut werden will. Ihre Freundschaft zu einer anderen Frau ist zugleich von harter Ehrlichkeit (traditionell eher ein „männlicher“ Umgang) und kleinmachender Rivalität geprägt. Das Finale zeigt dann noch einmal eine andere Facette von Sun-jae und macht „The Red Shoes“ zu einer vielschichtigen Betrachtung dessen, was mit dem Begriff „toxische Weiblichkeit“ hier womöglich etwas hilflos umschrieben worden ist.
Buchtipp
Sophia Fritz: Toxische Weiblichkeit. Hanser Berlin, Berlin 2024
Im Podcast „Hotel Matze“ gibt es auch ein interessantes Gespräch mit der jungen Autorin, die auch als Sterbe- und Sexualbegleiterin arbeitet.
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