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Late Night with the Devil

Nostalgische Mockumentary

 Australien, Vereinigte Arabische Emirate, USA 2023     

 Regie: Cameron und Colin Cairnes                            

 Laufzeit: 93 Minuten

 

Handlung: 1977 in den USA: Jack Delroy moderiert die Late-Night-Show „Night Owl“. Um den sinkenden Zuschauerzahlen etwas entgegenzusetzen, hat der ehrgeizige Jack eine besondere Halloweenshow geplant, in der er mit einem Medium, einem Skeptiker, einer Parapsychologin und einem angeblich besessenen Mädchen richtig aufdrehen will.

 

Besprechung: Diese Independent-Produktion tut so, als handele es sich um eine Dokumentation über Jack Delroy und seine denkwürdige Halloweenshow aus dem Jahr 1977. Diese hat natürlich nie stattgefunden und der Charakter ist so fiktiv wie die Show. Der Film greift aber auch auf tatsächlich reale Vorbilder aus der Zeit zurück. Der Skeptiker, der jedem eine große Summe verspricht, der ihm ein übersinnliches Phänomen wirklich beweisen kann, hat mehr als nur ein paar Ähnlichkeiten mit James Randi (1928 – 2020). Die in der Show erwähnten Satanisten basieren lose auf der damals populären „Church of Satan“ und der Name des fiktiven Obersatanisten orientiert sich an dem des realen Anton Szandor La Vey. Anfangs werden auch echte Aufnahmen aus den 1970ern gezeigt, unter anderem von Charles Manson. Und die im Film erwähnte Tonight Show (damals mit Showmaster Johnny Carson) gibt es bis heute.  

 

Trotzdem wird wohl kaum jemand diese Fake-Doku als echt ansehen. Dazu sind die in den Pausen der Show gezeigten behind the scene Sequenzen (in schwarz/weiß) zu unplausibel: Wer sollte das mit welcher Motivation so gefilmt haben? Ganz zu schweigen von den Phänomenen, die im letzten Drittel zu sehen sind. Dennoch ist das Setting wunderbar gut getroffen und wirkt bis ins Detail authentisch. Zumindest für mein nicht allzu geschultes Auge. David Dastmalchian liefert als charismatischer, ambitionierter Late-Night-Host eine tolle Performance und dürfte damit seiner bisher eher flach verlaufenen Karriere einen ordentlichen Push verpasst haben. Auch die anderen Darsteller*innen in dem Film haben mich überzeugt, vor allem Ian Bliss als Sidekick des Moderators. 

 

Ob der Hype, der gerade um den Film aufgebaut wird, vollauf berechtigt ist, wage ich zu bezweifeln. Aber ich kann verstehen, dass sich Horrorfans freuen, wenn sie statt dem 100sten abgegriffenen Beitrag, einen originellen Film zu sehen bekommen, der dann auch noch gut gemacht ist. Gerade wer wie ich Okkult-Horrorfilme der 1970er und Stories rund um Satansorden, düstere Hippiekulte, Betrüger und Debunker liebt, oder sich für die ab den 1980ern in den USA um sich greifende Satanic Panic und ihre Vorläufer interessiert, bekommt hier einen liebevoll inszenierten Film geboten. Das fiese Finale lässt aus dem tendenziell humorvollen Nostalgietrip einen Horrorfilm werden, der allerdings auch schon früher eine unterschwellig beunruhigende Atmosphäre aufzubauen versteht. 

 

Der Film ist nicht so gruselig wie die BBC Mockumentary "Ghostwatch" aus dem Jahr 1992, aber trotz eher gemächlichen Tempos und eines etwas ambitionierten Endes (für mich) durchgängig interessant und unterhaltsam, gerade durch den Bezug zu realen Vorbildern und das ungewöhnliche Late-Night-Show-Setting. Die drei Bilder im Film, die durch AI erschaffen wurden, habe ich nicht bemerkt, zwei schlechte CGI-Effekte schon. Größtenteils sind die wenigen Trickeffekte aber handgemacht und solide. Die Stärken des Films liegen allerdings in seiner originellen Atmosphäre, dem starken Hauptdarsteller, dem hohen Nostalgiefaktor und einer gewissen Unberechenbarkeit. Und Lilly ist unheimlich. Feiner Film! 

 

Trivia: Laut den Filmemachern waren Late-Night-Shows in den 1970ern und -80ern Fenster in eine teilweise verstörende Erwachsenenwelt und daher in ihren Augen ein perfektes Setting für einen Gruselfilm.

 

Der im Film erwähnte Männerbund „The Grove“ hat auch ein reales Vorbild, nämlich den 1872 von Horrorautor Ambrose Bierce mitgegründeten Bohemian Club, der sich unter anderem in einem Hain auf bei Monte Rio in Kalifornien trifft. Bei den Ritualen des Clubs spielen tatsächlich Darstellungen von Eulen eine zentrale Rolle und die Eule ist auch das Wappentier der Bruderschaft, und es existiert bis heute im Bohemian Grove eine 15 Meter große Eulenstatue. Da zu dem Männerclub Mitglieder wie Jack London, Mark Twain, Richard Nixon, George H.W. Bush oder der Medienmogul William Randolph Hearst Sr. gehörten, ist er von Verschwörungserzählungen umrankt. Solche verbreitete auch der rechtsextreme Radiomoderator Axel Jones, was 2002 einen Mann dazu bewog, schwerbewaffnet den Ritualhain aufzusuchen, um dem satanischen Treiben ein Ende zu setzen. Die Polizei konnte ihn festnehmen, ohne dass jemand zu Schaden kam.

 

IMDB: 7.2 von 10

Letterboxd-Rating: 3.5 von 5                                                                                                      

Neft-Rating: 4 von 5 

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