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Fresh (Mit Audio)

Schwarzhumoriger Blick in den Abgrund modernen Datings

(Audio eingesprochen von Piero Masztalerz)

 

 USA 2022     

 Regie: Mimi Cave                            

 Laufzeit: 114 Minuten

Handlung: Single Noa hat die Schnauze voll von halbgaren Online-Dates, als sie im Supermarkt den humorvollen Steve kennenlernt. Endlich mal ein Typ, der weder doof noch langweilig ist. Bald bricht Noa mit ihm zu einem Trip auf, der sich allerdings anders entwickelt, als sie sich das vorgestellt hat. Klar, ist ja auch ein Horrorfilm.

 

Besprechung: Die Geschichte, die hier erzählt wird, ist im Prinzip nicht neu, aber sie wird zeitgemäß präsentiert, und es sind die kleinen Details, die diesen Film so stark machen. Das ohnehin gute Schauspiel von Daisy Edgar-Jones (Noa) und Sebastian Stan (Steve) kann sich dank gut geschriebener Szenen entfalten, die verbal, mimisch und gestisch präzise gespielt werden und die Balance zwischen schwarzhumoriger Satire und ungemütlichem Horrorthriller sehr gut halten. Entsprechend bezieht der Film seine Spannung auch weniger aus der Frage, was auf dem Weg von A bis Z passieren wird – für erfahrene Horror- und Thrillerfans ist das recht vorhersehbar – sondern wie es im Detail passiert. Das Ergebnis ist ein teils skurriles, vor allem aber spannendes Kräftemessen, bei dem psychologische Manipulation zentral ist, aber auch körperliche Gewalt zum Zuge kommt. Gerade nach hinten raus hat der Film ein paar Härten, die seine Einstufung als „Horrorfilm“ rechtfertigen. 

 

Optisch wie akustisch braucht sich dieses Regiedebüt von Mimi Cave nicht vor den Werken etablierter Kolleg*innen zu verstecken, auch wenn man die 15 bis 20 Millionen Dollar Budget aufgrund der wenigen Schauplätze und Spezialeffekte nicht unbedingt vermutet hätte. Dass der Film gut aussieht, liegt vor allem an Kameramann Pawel Pogorzelski, der unter anderem für die Kinematographie der Ari Aster Filme Hereditary", Midsommar" und Beau is afraid" verantwortlich war. Der Soundtrack sorgt mit ironischen Titeln wie Perfect Day (Lou Reed), Piece of Me (Nicole Wray) oder Heads Will Roll (Yeah Yeah Yeahs) für treffsichere Untermalung und unterstützt das Gefühl, hier einen Film zu sehen, der inszenatorisch wie inhaltlich am Puls der Zeit ist, ohne dabei anbiedernd und gekünstelt zu wirken.

 

Trivia: Sebastian Stan war im Produktionsjahr der einzige wirklich namhafte Darsteller im Cast. Mittlerweile hat sich auch die 16 Jahre jüngere Daisy Edgar-Jones mit ihrer Hauptrolle in „Der Gesang der Flusskrebse“ auf der Karriereleiter weiter nach oben bewegt. Sebastian Stan überzeugte übrigens beim Casting das Produktionsteam und Drehbuchautorin Lauryn Kahn mit einem lässigen Tanz zu „Teardrops“ von Womack und Womack, bei dem er ein großes Fleischermesser schwingt. Anschließend bereitete er sich intensiv auf seine Rolle vor, in dem er Menschen mit bestimmten Persönlichkeitsmerkmalen genau studierte

 

IMDB: 6.7 von 10

Letterboxd-Rating: 3.4 von 5                                                                                                      

Neft-Rating: 4 von 5 

 

// HOPSYS GEDANKEN

 

So wie in dem Film reale Dating-Tipps für Frauen („Mehr lächeln“, „Zeig Interesse an seinen Themen“, „Gib dich etwas unterwürfig“) aufs Korn genommen werden, lernen wir hier auch etwas über die Methoden von Pickup artists (PUAs). Diese Typen mögen sich selbst als Aufreißer oder Verführer sehen, der Übergang zu Nötigung oder Vergewaltigung ist allerdings fließend bei den „Aufreiß-Techniken“, die Arschlöcher wie Julien Blanc in ihren Seminaren den künftigen „Alphas“ beibringen. PUAs gehen in der Regel von einer natürlichen Überlegenheit des Mannes gegenüber der Frau aus bzw. lernen das in ihren Foren, Seminaren und Workshops. Sie sehen Frauen als Objekte zur eigenen Statuserhöhung und nennen ihren Aufreiß-Wettbewerb „Game“ (Spiel). Doch schauen wir uns ein paar der psychologischen Tricks an, mit denen PUAs ihre „Beute“ ins Bett kriegen wollen. Ersteinmal arbeiten PUAs an sich selbst: Fitness, Mode, Körperpflege, Auftreten, Selbstbewusstsein. Würde es dabei bleiben, wäre die Bewegung noch ganz niedlich. PUAs lernen aber auch manipulative Techniken. Manche davon kennen Männer schon von Schulhofgesprächen oder stumpfen Männerabenden. Für Frauen können sie als Warnzeichen (red flags) dienen:

 

Desinteresse: Der PUA tut so, als ob die Frau, die er erobern will, für ihn die am wenigsten interessante Person im Raum ist. Lieber flirtet er mit ihrer Freundin. Diese Methode soll den PUA als begrenzte, nicht verfügbare Ressource interessanter machen.

 

DHV (Demonstration of higher value): Der PUA stellt mehr oder minder geschickt klar, dass er durch seinen Job, seine Fähigkeiten, seine Kraft und Intelligenz den höheren Status hat als die Frau, die er versucht, rumzubekommen.

 

Wechselbad: Der PUA macht Komplimente, nimmt sie aber kurz darauf zurück oder schwächt sie ab. Außerdem triezt er sein Gegenüber mit kleinen Spitzen, sogenannten Negs. Ziel ist es, das Selbstbewusstsein der Frau zu schwächen und ihr den Wunsch einzuimpfen, vom PUA anerkannt zu werden.

 

Vertrauen gewinnen: PUAs erzählen gerne etwas Persönliches von sich, was natürlich keineswegs stimmen muss. Vom Tod der eigenen Mutter bis zu ihrem letzten Hund oder ihrer süßen Patentochter – der PUA nutzt emotionale Themen, um Vertrauen zu wecken und das Gegenüber – die „Zielperson“ – dazu zu bringen, auch Persönliches von sich zu erzählen. Man sollte misstrauisch sein, wenn jemand schnell viel von sich preisgibt und Fragen stellt, die insgeheim auf die eigenen Schwachstellen abzielen. Natürlich kann das auch einfach nur ein Mensch sein, der nicht gut darin ist, Grenzen zu ziehen, bei PUAs wird das Grenzüberschreitende jedoch strategisch genutzt, um schnell zum Ziel zu kommen. Dazu gehört auch, schnell Körperkontakt herzustellen.

 

Isolieren: PUAs versuchen, ihr Gegenüber schnell für sich allein zu haben und zum Beispiel aus einem Club woanders hinzugehen. Und nein: Die Freundin soll bitte nicht mitkommen.

 

Verständnislos reagieren: Tust du nicht, was der PUA will, ignoriert er deine Grenzen trotzdem, macht sich über deine Bedenken lustig und zeigt kein Verständnis. Schließlich will er ja zum Ziel kommen. 

 

Beleidigt reagieren: Tust du nicht, was der PUA will, kann er ab einem gewissen Zeitpunkt auch vorwurfsvoll oder beleidigt reagieren, um dich emotional unter Druck zu setzen. Ab einem gewissen Zeitpunkt – so die verquere Logik – bist du ihm den Sex einfach schuldig. Schließlich habt ihr geflirtet, euch persönliche Dinge erzählt und er hat die Drinks bezahlt. Das Fiese ist, dass einige Frauen so erzogen worden sind, dass sie sich tatsächlich leicht für die Gefühle eines Gegenübers verantwortlich fühlen und durch Schmollen manipuliert werden können, Dinge zu tun, die sie eigentlich nicht tun wollen. PUAs haben für dieses Vorgehen sogar einen Begriff: „Freeze out“. Macht das HB (hot babe) nicht, was man will, zieht man sich zurück, zeigt die kalte Schulter, gibt ihr das Gefühl, nicht richtig zu sein.

 

Insgesamt ist das Ziel der PUA-Methoden nicht, das Gegenüber besser zu verstehen und darauf eingehen zu können, um echte Nähe aufzubauen. Stattdessen wird mit psychologfischen Tricks – teils aus dem Bereich des Neurolinguistischen Programmierens (NLP) – gearbeitet, die den Kontakt der Frau zu ihren eigenen Grenzen und Wünschen schwächen sollen. Daher ist es besonders wichtig, auf seine eigenen Gefühle zu hören, bei sich zu bleiben und destruktive Muster aus der Kindheit bei sich selbst zu erkennen und aufzuarbeiten. Hatte man wenig liebevolle Eltern fällt man tendenziell leichter auf Menschen herein, die es nicht gut mit einem meinen. Das Vertraute zieht uns unbewusst an. 

 

Der amerikanische Autor und Journalist Neil Strauss hat 2005 ein Buch über seine Zeit in der PUA-Szene geschrieben, das 2006 unter dem Titel „Die perfekte Masche: Bekenntnisse eines Aufreißers“ im List-Verlag veröffentlicht wurde. Das Buch ist fast 500 eher langweilige Seiten lang. Interessant ist allerdings eine Bemerkung von Strauss, die im Guardian zitiert wird. Grob übersetzt sagt der Journalist:

Das Ziel waren Frauen, aber das Ergebnis waren Männer. Statt Models im Bikini hingen bei uns am „Project Hollywood Pool“ picklige Teenager, bebrillte Geschäftsleute, dicke Studenten, einsame Millionäre, erfolglose Schauspieler, frustrierte Taxifahrer, und Computer-Programmierer – jede Menge Computer-Programmierer.“

 

Entsprechend schreibt Alexandra Jacobs in einer Rezension in der New York Times, dass Strauss in seinem Buch ein merkwürdiges Phänomen beobachtet: Die Pick-up artists scheinen viel mehr daran interessiert zu sein, Zeit mit anderen PUAs zu verbringen und sich über das „Game“ auszutauschen, als tatsächlich Frauen kennenzulernen. 

 

Noch etwas mehr über die PUAs und ihre Methoden findet sich hier und hier.

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