Das beste Omen
• USA 2024
• Regie: Arkasha Stevenson
• Laufzeit: 120 Minuten
Handlung: Rom 1971. Die junge Novizin Margaret will hier ihre Gelübde ablegen und zur Braut Christi werden. Bei ihrer Arbeit in einem städtischen Waisenhaus lernt sie die lebenslustige Novizin Luz, das psychisch auffällige Waisenmädchen Carlita und die offenbar durchgeknallte Nonne Anjelica kennen. Alle haben auf die eine oder andere Weise mit einer Verschwörung zu tun, die so finster ist wie die finstersten Winkel von Margarets Unterbewusstsein.
Besprechung: Heiliger Bimbam! Was die ehemalige Fotojournalistin Arkasha Stevenson hier in ihrem Langfilmdebüt an den Start bringt, lässt die bisherigen Omen-Teile wie gemütliches Familienfernsehen ausschauen. Gut, der erste Film war aus dem Jahr 1976 und hatte damals ein Verstörungspotenzial, das sich beim bingewatchenden Publikum heute auch mit „Terrifier 2" kaum noch erreichen lässt, aber wie Stevenson – zusammen mit Tim Smith und Keith Thomas auch am Drehbuch beteiligt – den Stoff modernisiert, feminisiert und zugleich den Respekt vor dem Original wahrt, treibt mir Freudentränen in die Augen.
Auch die Inszenierung ist hervorragend. Die Kameraarbeit von Aaron Morton braucht sich weder vor dem ersten Omenfilm noch vor heutigen Horror-Hypes wie „Hereditary" oder „Talk To Me" zu verstecken. Die meist zurückhaltende Farbgebung lässt an das 1970er Original denken, bricht die realitätsnah-erdige Palette aber auch hin und wieder auf. Und wer bei der einen oder anderen Mise en Scène an Klassiker des italienischen Neorealismus denkt, könnte richtig liegen. Die Filmmusik von Mark Corven zieht viele Register und huldigt auch dem ikonischen Omen-Score von Jerry Goldsmith. Vor allem aber liefert Nell Tiger Free als Novizin Margaret eine beeindruckende Performance. Ob frommer Backfisch, sexy girl, tapfere Kämpferin oder Wahnsinnige – Free zieht den Zuschauer früh in den Film und lässt ihn bis zum Ende nicht mehr los.
Toll ist auch, dass die Geschichte mehr ist als nur ein Vorwand für die zahlreichen unheimlichen Szenen, die von atmosphärischen Stimmungen über psychedelischen Irrwitz bis zu Jumpscares, Splatter und Bodyhorror reichen. Das Thema der zwei Kirchen und die Frauenkörper, die nicht sich selbst gehören, sondern Mittel zum Zweck sind, wirken unangenehm aktuell und verbinden sich mit Motiven von weiblicher Emanzipation und Unterdrückung zu einem wuchtigen Ganzen. Dabei erscheint das Nonnentum hier als eine Möglichkeit echte Schwesternschaft jenseits der patriarchalen Ehe zu leben, aber auch als perfide Zurichtungsinstitution. Vor allem aber wirkt das Christentum in „Das Erste Omen“ exotischer als jeder Voodookult, was durch einige trippige Sequenzen formschön unterstützt wird.
Anders als in „Das Omen" aus dem Jahr 1976 weiß man in den ersten zwei Dritteln des Films nicht mehr als die Protagonistin, was einerseits die spannendere Herangehensweise ist, andererseits aber auch verwirrend wirkt. Hin und wieder fragt man sich, worum zur Hölle es hier überhaupt geht. Am Ende wiederum weiß man ein wenig zu klar, wohin die Reise geht, zumindest, wenn man das Original gesehen hat, zu dem „Das Erste Omen“ die Vorgeschichte erzählt. Neben der Tendenz zur Konfusion hat der Film auch noch eine andere Schwäche: Zu genau sollte man über bestimmte Hintergründe nicht nachdenken. Vielmehr ist, wie in Religionen üblich, eine ordentliche Aussetzung der Ungläubigkeit (suspension of disbelief) nötig, um nicht manchmal „Häh?“ zu rufen. Auch hätte ich anstelle der Filmemacherin auf eine CGI-Sekunde am Ende verzichtet.
Da aber die Stärken so eindeutig überwiegen und das hier auch noch ein Debüt ist, zücke ich leichten Herzens 4 Sterne (von Bethlehem).
Trivia: In Deutschland ist der keineswegs zimperliche Film ab 16 Jahren freigegeben. In den bei Filmfreigaben sehr liberalen USA musste die Macherin um ein R-Rating kämpfen, das unter 17-Jährigen den Besuch des Films in Begleitung eines Erwachsenen erlaubt. Laut der Regisseurin war der Grund dafür, dass er beinahe ein NC-17-Rating (nur für Erwachsene) bekommen hätte, jedoch nicht die im Film gezeigte Gewalt, sondern der Anblick einer Vagina während einer intensiven Geburtsszene. Arkasha Stevenson kürzte die Szene schließlich erheblich, aber nicht komplett – wie anfänglich von der amerikanischen MPA (Motion Picture Association) gefordert. Stevenson beschreibt in einem Interview, wie sie bei einer Testvorführung des Films einen Mann beobachtete, der die ganze Zeit entspannt M&Ms futterte. Bis zur Vagina-Szene. Da habe sein Mund offen gestanden und ein paar der Schokokügelchen seien herausgefallen. Das verdankt sich sicher auch der exzellenten praktischen Effekte von Adrien Morot und Kathy Tse (Morot FX).
Vielgucker*innen wird vermutlich auffallen, dass in „Das Erste Omen“ gleich drei Darsteller*innen zu sehen sind, die in der Serie „Game of Thrones“ mitgespielt haben, nämlich Hauptdarstellerin Nell Tiger Free, Ralph Ineson (Vater Brennan) sowie der kurz am Anfang auftauchende Charles Dance. In GoT spielten sie Myrcella Baratheon, Dagmer Cleftjaw und Tywin Lannister.
IMDB: 6.9 von 10
Letterboxd-Rating: 3.4 von 5
Neft-Rating: 4 von 5
// HOPSYS GEDANKEN
Man mag es nach Sichtung von „Das Erste Omen“ kaum glauben, aber Nonnen leben genauso lange, wie Frauen, die nicht die Gelübde abgelegt haben. Dies zumindest geht aus der berühmten Klosterstudie hervor. Mönche leben sogar über vier Jahre länger als ihre weniger frommen Geschlechtsgenossen. Anders gesagt: Die zentralen Ergebnisse der Ende der 1990er Jahre durch den deutschen Bevölkerungswissenschaftler Marc Lury durchgeführten sind: Nonnen leben ungefähr so lange wie Frauen der Allgemeinbevölkerung. Mönche leben im Schnitt ein bis zwei Jahre weniger als die Frauen beider Gruppen, wohingegen Männer aus der Allgemeinbevölkerung eine im Schnitt sechs Jahre kürzere Lebenserwartung als Nonnen und andere Frauen haben. Die Studie wollte prüfen, ob die Lebenserwartung nachweisbar etwas mit der Lebensführung zu tun hat, oder ob ererbte, nicht beeinflussbare Faktoren solche Unterschiede nivellieren. Deswegen widmete sich Luy den Bewohner*innen von Klöstern, die ein recht vergleichbares Leben führten und stellte dabei nicht nur fest, dass die Lebensführung tatsächlich eine Rolle spielt, allerdings vor allem für Männer.
Schließlich ging die Weltgesundheits-Organisation (WHO) der Frage nach, warum Männer nicht nur in Deutschland, sondern weltweit eine geringere Lebenserwartung haben als Frauen und präsentierte 2019 einen Bericht, der sowohl erbliche Faktoren als Umweltfaktoren erwähnt. Zwar werden mehr Jungen als Mädchen geboren, aber das Immunsystem des starken Geschlechts ist schwächer, so dass mehr davon bereits als Kleinkind sterben. Dazu kommen aber auch Faktoren, die mit dem Lebenswandel zu tun haben. Männer sterben häufiger durch Verkehrsunfälle und büßen statistisch gesehen 0,84 Lebensjahre mehr als Frauen durch ischämische Herzkrankheiten, 0,4 Lebensjahre durch Lungenkrebs und 0,36 Lebensjahre durch chronisch obstruktive Lungenkrankheiten ein. Auch das Risiko eines schweren Verlaufs einer Corona-Infektion war bei Männern (vor allem aufgrund genetischer Faktoren) höher.
Doch zurück zu den Nonnen. Oft mutmaßt man stammtischpsychologisch, dass „sexuelle Unterdrückung“ irgendwie ungesund sei, die Lebenserwartung verringere und zu Neurosen und schwereren psychischen Krankheiten führt. Bewiesen ist davon allerdings nichts, zumal „sexuelle Unterdrückung“ womöglich in Bezug auf Nonnen auch oft nicht der passende Begriff ist. Der Verzicht auf Sexualität führt in der Regel zu weniger Lust auf Sex, ein eng getaktetes Klosterleben mit zahlreichen Gebetsterminen, Gottesdiensten und Aufgaben lässt wenig Raum für überschießende Energien und schließlich bestimmt wohl auch die innere Haltung, ob der Verzicht auf ein Sexualleben (oder gar der Verzicht auf Masturbation) zu Unzufriedenheit und psychischen bzw. körperlichen Beschwerden führt, oder nicht. Aufschlussreiche Studien über das (Nicht-)Sexualleben der Nonnen habe ich leider nicht finden können, wohl aber die sogenannte „Nonnenstudie“, die der Epidemiologe David Snowdon 1986 mit etwa 600 Nonnen an der Kentucky-University durchführte. Primär ging es in der Studie um die Alzheimer-Krankheit und eines der Ergebnisse war, dass geistiges Training, auch wenn es erst später im Leben begonnen wurde, zu einem geringeren Risiko führte an Alzheimer zu erkranken. Psychologisch interessanter und häufiger erwähnt, ist jedoch ein Nebenergebnis der Nonnenstudie: Die Nonnen, die in ihren Tagebüchern vor allem positive Eindrücke, Gedanken und Erlebnisse festhielten, signifikant länger lebten als ihre Mitschwestern, die eher negative Emotionen und Überlegungen formulierten. Je weniger Positivität und Optimismus, desto geringer die Lebenserwartung – so das für Miesepeter unerfreuliche Ergebnis. Aber wenn man sein Leben eher mies findet, ist man ja auch nicht unbedingt scharf darauf, möglichst lange darin zu verweilen.
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