Der Horror-Hype des Jahres 2022
• USA 2022
• Regie: Parker Finn
• Laufzeit: 115 Minuten
Handlung: Dr. Rose Cotter ist eine hart arbeitende Ärztin auf der psychiatrischen Station eines Krankenhauses. Eines Tages taucht dort eine junge, extrem verstörte Frau auf, die von einem Etwas berichtet, das sie verfolgt, seit sie vor sieben Tagen den Suizid ihres Professors mit ansehen musste. Jetzt wolle dieses Etwas sie in den Tod treiben. Die Ärztin glaubt ihr natürlich nicht und versucht, der jungen Frau einen Ausweg aus ihrer Angst zu zeigen. Kurz danach muss sie sich selbst mit Visionen fies lächelnder Menschen herumschlagen, ohne dass sie jemand (auch nicht ihr Ehemann oder ihre Psychologin) ernst nimmt. Nur ihr Ex-Freund erklärt sich bereit, der Sache nachzuspüren.
Besprechung: Dank einer super-effektiven Marketing-Kampagne und etlicher sich selbst im Kino feiernder Teenies wurde „Smile“ im Jahr 2022 ein großer Horrorerfolg, der mit einem Budget von 17 Millionen über 217 Millionen einspielte. Der Hype war groß: Junge Menschen priesen den Film als das Gruseligste seit ihren ersten Pickeln und filmten sich, wie sie im Kino kurz vorm Zusammenbruch standen. Mit der Seherfahrung eines 50jährigen Gruselguckers, dessen Hormone halbwegs ausbalanciert sind, stellt sich „Smile“, dann doch etwas weniger aufregend dar.
Ich mag diesen Film einerseits sehr gerne, andererseits ist er für mich eine Enttäuschung. Ich mag ihn deshalb gerne, weil die Figur der Rose Cotter (großartig gespielt von Sosie Bacon) mich von Anfang an fesselt: Ich spüre ihre Tapferkeit, ihre Energie, die sie für andere aufbringt, aufbringen muss, um zu verdrängen und ihre Schuldgefühle in Schach zu halten. Ich spüre, wie sie mehr und mehr von einer Helfenden zu einer Hilfsbedürftigen wird, und vor allem lässt mich der Film erleben, was für ein Clusterfuck eine Psychose ist, da eigentlich niemand richtig damit umgehen kann: das Umfeld nicht und die Betroffenen schon gar nicht. Dieser Film hat seine gruseligen Momente, seine guten (und weniger guten) jumpscares, ein paar Momente grafischer Gewalt, aber vor allem fand ich ihn traurig. Ich habe so viel Mitgefühl mit Dr. Rose Cotter. Und die eine Szene mit ihrem Exfreund im letzten Drittel fand ich besonders berührend.
Das Enttäuschende an dem Film ist in meinen Augen, dass er in der zweiten, zu lang geratenen Hälfte nicht mehr so zwingend ist wie in der ersten, etwas redundant wird und sich vor allem sein inhaltlich gutes Ende optisch verhunzt. Mehr möchte ich dazu nicht sagen, aber ich glaube, es sind die Produktionsfirmen in Hollywood, die auf derlei drängen. Der Film ist eigentlich ein "elevated" Kandidat, der seine Themen "psychische Krankheiten", "Trauma-Wahrnehmung" und "Kreislauf der Selbstzerstörung" ernst nimmt. Er setzt dabei aber auch auf recht konventionelle Mittel und ein an Erfolgen wie „Ringu“ oder „It follows“ angelehntes Drehbuch, das nicht immer fein genug gearbeitet ist. Schade. Aber trotzdem ein sehenswerter Film, der gerade unerfahrene Horrorgucker*innen so richtig schön das Fürchten lehren dürfte.
Es handelt sich übrigens um das Langfilm-Debüt von Parker Finn. Ich denke, wir können von dem Mann noch was erwarten.
Trivia: Kurz bevor der Film am 30. September 2022 in die Kinos kam, setzen sich Schauspieler*innen des Films in Baseballstadien oder in das Publikum der Today Show und grinsten fies und unbewegt in die Fernsehkameras. Dazu trugen sie „Smile“ Shirts. Der Spaß ging natürlich viral.
Der Film basiert auf Finns Kurzfilm „Laura hasn’t slept“ aus dem Jahr 2020. Nachdem der elfminütige Film den „Special Jury Recognition Prize“ für die Kategorie „Midnight Short“ beim „South by Southwest’s“ Festival gewonnen hatte, zeigte Paramount Pictures Interesse an einer Langfilm-Adaption.
Und noch ein familiärer Hinweis: Die Person, die Rose etwa bei Minute 25 beim Blick aus dem Fenster sieht, ist ihre (tote) Mutter. Auch die Stimme auf der Aufnahme (Minute 38) soll laut Parker Finn zur Mutter gehören.
IMDB: 6.5 von 10
Letterboxd-Rating: 2.8 von 5
Neft-Rating: 3.5 von 5
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