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Under the Shadow

Interessanter Spuk im Iran der 1980er

Großbritannien, Jordanien, Katar 2016      

 Regie: Babak Anvari                            

 Laufzeit:  84 Minuten

 

Handlung: 1988 in Teheran während des Iran-Irak-Krieges. Shideh lebt mit ihrem Mann Iraj und ihrer kleinen Tochter Dorsa in einem schmucklosen Wohnkomplex. Iraj ist Arzt und muss zum jährlichen Militärdienst an die Front. Shideh würde gerne ihr Medizinstudium wieder aufnehmen, erhält aber von den Beamten keine Erlaubnis, weil sie vor Jahren einmal in regierungskritische politische Aktivitäten verwickelt gewesen ist. So sitzt sie also mit dem Töchterchen zu Hause und macht sich Sorgen. Dorsa lernt einen traumatisierten Jungen aus der Nachbarschaft kennen, der ihr Spukgeschichten erzählt. Kein Wunder, dass Dorsa Alpträume hat. Nachdem eine Bombe im Wohnkomplex eingeschlagen ist, beginnt auch ihre Mutter, eine dunkle Präsenz wahrzunehmen. Ein Djinn?

 

Besprechung: Der wahre Horror in diesem Film sind die Bomben, die jederzeit auf Teheran niedergehen können. Dazu kommt das erdrückende Mullah-Regime des Iran mitsamt verschiedener Settings, die optisch und atmosphärisch an eine in entsättigten Farben präsentierte persische Version der DDR erinnern. Die Umtriebe eines bösen Geistes wirken in diesem Szenario schon fast wie eine Auflockerung und sind in meinen Augen gut gefilmt, aber nicht besonders gruselig. Interessanter sind ohnehin die Mutter-Tochter-Dynamik und der Einblick in ein anderes Land zu einer anderen Zeit. Shideh (toll gespielt von Narges Rashidi) ist eine selbstbewusste, intelligente und mutige Frau, die ihre Talente in dem reaktionären Männerregime und der drögen Nachbarschaft kaum entfalten kann. Erst als sie es mit einem Djinn zu tun bekommt, der ihr Kind in Besitz nimmt, kann sie einmal zeigen, was in ihr steckt. Sie ist das Zentrum eines Films, der treffsicher und stilistisch konsequent karg Spukhaus-Thematik mit den Schrecken des Krieges und unterdrückerischer Systeme kombiniert und so einmal mehr die feine Linie von Phantastik und Realität entlangtippelt, auf der manche Horrorfilme so fein balancieren.

 

Insgesamt fand ich den Film mehr interessant und wütend machend als richtig packend und unheimlich, aber im letzten Drittel werden die Schrauben angezogen und der angenehm kurz gehaltene Film wird seinem Horror-Label noch gerecht, ohne dabei großartig zu überraschen oder besonders originell zu sein. Und ohne die Arthouse-Zuschauer*innen zu verprellen, die „eigentlich diesen Horrorquatsch nicht gucken“. Die guten Darsteller*innen, das gelungene Sounddesign und einige wenige gut inszenierte Gruselszenen heben diesen Film dennoch deutlich über den Durchschnitt, auch ohne „Exotenbonus“.

 

Noch ein Tipp: Man sollte den Film nicht in der deutschen Snychonisation gucken, da dort die Stimme der kleinen Dorsa ziemlich nervig ist. Zumindest in meinen Ohren.

 

Trivia: Der iranisch-britische Regisseur Babak Anvari konnte seinen ersten Langfilm aus naheliegenden Gründen nicht im Iran drehen, das bis heute unter dem diktatorischen Regime religiöser Bartträger steht. Was Teheran sein soll, ist also tatsächlich die Stadt Amman in Jordanien.

 

Djinn als böse Geister, die schon im Koran herumspuken, gelten viele als Wesenheiten aus der arabischen Mythologie. Tatsächlich tauchen sie aber auch schon beim Volk der Meder, einem uralten persischen Volk, das nomadisch im Westen des heutigen Iran lebte. Nicht alle Djinn sind böse, aber mit den dämonischen Sila, den Ifrit oder gar den besonders mächtigen Marid ist in der gesamten islamischen Welt nicht zu spaßen.

 

IMDB: 6.8 von 10

Letterboxd-Rating: 3.5 von 5                                                                                                      

Neft-Rating: 3.5 von 5

 

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