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Wolf – Das Tier im Manne

Jack Nicholson als Boomer-Wolf

 USA 1994       

 Regie: Mike Nichols                             

 Laufzeit: 125 Minuten

 

Handlung: Verlagsdirektor Will Randall soll nach der Übernahme „seines Verlages“ durch einen Milliardär gegen einen deutlich jüngeren Kollegen ausgetauscht und aufs Abstellgleis für alte Herren abgeschoben werden. Der brave Mann verkörpert alte bürgerliche Tugenden und hat für das turbokapitalistische New York der 1990er nicht genug Biss. Er scheint das Feld bereits räumen zu wollen, doch da er kurz zuvor von einem besonderen Wolf gebissen wurde, wird er mehr und mehr zu einer animalischen Überlebensmaschine mit Superkräften.

 

Besprechung: Von allen Männern im Schauspielgewerbe ist wohl Jack Nicholson der letzte, der eine Wolfskur braucht. Mit dem Testosteron, das der Mime schon in den ersten Minuten versprüht, könnte man sämtliche Feministinnen einer mittleren Kleinstadt in den Wahnsinn treiben: sei es aus Wut oder Wuschigkeit. Entsprechend ist der Wandel des Verlagsdirektors vom Arbeitnehmer zum Wolfmenschen gar nicht so ein großer.   

 

Als junger Mann habe ich den Film in einem Kino in Edinburgh gesehen und war enttäuscht. Ich hatte mir einen ordentlichen, vielleicht sogar herausragenden Werwolffilm mit Starbesetzung versprochen. Schließlich sind neben Jack Nicholson noch Michelle Pfeiffer, James Spade, Christopher Plummer und Richard Jenkins dabei. Und die Einstiegssequenz auf der verschneiten ländlichen Landstraße in New England lässt sich auch wirklich gut an. Dann aber weiß der Film nicht recht, was er sein will. Als Horrorfilm überzeugte er mich damals auf jeden Fall nicht.

 

Beim Wiedersehen fand ich ihn besser als damals. „Wolf“ ist durchaus unterhaltsam, vor allem für Hetero-Männer in der Midlifecrisis, die hier eine Art Wunscherfüllungsprogramm vorgeführt bekommen. Die Machtkämpfe in einem New Yorker Literaturverlag finde ich durchaus amüsant, aber ob das Ganze eine Satire, ein Horrorfilm, eine Liebesgeschichte oder gar ein Drama sein will, bleibt unklar. Der Score von Ennio Morrcione ist durchaus inspiriert, läuft aber fast konstant und passt mit seiner teils mystischen, teils lasziven und tendenziell schrillen Atmosphäre oft nicht zu dem, was man auf der Leinwand sieht. Auch die öfter genutzten Zeitlupeneffekte wirken unpassend, und Nicholson und Pfeiffer als Paar mit gehörigem Altersunterschied können auch nicht in jeder Sequenz überzeugen. In einigen aber doch. Dann spürt man plötzlich die sonderbare Chemie zwischen den beiden Außenseitern in einer glatt-polierten, egoistischen Geschäftswelt. 

 

Die Idee, dass ein Werwolf immer nur so destruktiv ist, wie er als Mensch moralisch schlecht ist, empfand ich damals in Schottland als Verrat am Werwolfmythos. Heute denke ich: Och, ist halt mal was anderes. 

 

Das Make-up und die Effekte stammen übrigens von Rick Baker. Ja, dem Rick Baker, der sich mit der Verwandlungsszene in American Werewolf ein Denkmal setzte. Diesmal hatte er nicht ganz so viel zu tun, macht aber einen ordentlichen Job. Ob Werwölfe allerdings wie Kung-Fu-Meister in der Gegend herumspringen sollten, weiß ich bis heute ebenso wenig, was letztlich von dem ganzen Film zu halten ist. 

 

Triggerwarnung: Saxophon. 

 

Trivia: Regisseur Mike Nichols drehte so unterschiedliche Filme wie „Wer hat Angst vor Virginia Woolf“ (1966), „Die Reifeprüfung“ (1967), „Catch-22 – Der böse Trick“ (1970) und „Die Waffen der Frauen“ (1988), aber nie einen Horrorfilm. Ob man „Wolf“ als solchen betrachten will, ist eine spannende Frage, die ich nur mit einem entschlossenen „jein“ beantworten kann.

 

Mike Nichols wollte übrigens, dass Michelle Pfeiffer im Finale einen roten Kapuzenpullover tragen sollte, aber die erfahrene Schauspielerin lehnte das ab. Sie wollte mit so einer Rotkäppchen-Anmutung die Glaubwürdigkeit des Films nicht unterwandern.

 

Pfeiffer adoptierte übrigens während der Dreharbeiten ein kleines Mädchen, verlobte und verheiratete sich. Jack Nicholson wiederum hatte zwölf Jahre lang versucht, zusammen mit Drehbuchautor und Co-Produzent Jim Harrison den Wolfs-Stoff mit sich selbst in der Hauptrolle auf die Leinwand zu bringen

 

Und noch ein Spaßfakt: Die Nacht, in der Will Randall vom wilden Wolf gebissen wird, ist der 8. März, also der Weltfrauentag.

 

IMDB: 6.3 von 10

Letterboxd-Rating: 3 von 5                                                                                                      

Neft-Rating: 2.5 von 5

 

 

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Kommentare: 2
  • #1

    Steffelowski (Donnerstag, 08 Februar 2024 20:49)

    Danke für die Triggerwarnung. Damit ist der Film für mich Tabu. Ich habe auch sofort ganz schlimme Tina Turner Assoziationen bekommen. Fuckin‘ 80s.


  • #2

    Anselm (Donnerstag, 08 Februar 2024 21:21)

    Die fucking 80s haben in den 90s erst richtig Fahrt aufgenommen!