Kleiner kanadischer Kultfilm
• Kanada 2000
• Regie: John Fawcett
• Laufzeit: 108 Minuten
Handlung: Die Teenie-Schwestern Ginger und Brigitte sind in ihrer öden Kleinstadt Außenseiterinnen. Dafür tun sie auch Einiges: düstere Klamotten, abweisende Blicke, zur Schau gestellte Todessehnsucht irgendwo zwischen echter Verzweiflung und Wunsch nach Aufmerksamkeit. Die einzige starke Bindung, die die beiden Heranwachsenden haben, ist die zueinander. Dann aber bekommt Ginger nicht nur ihre Periode, sondern wird zeitgleich von einem Werwolf gebissen. Brigitte muss mit Sorge beobachten, wie sich ihre ältere Schwester rasant verändert, und plötzlich anfängt, mit Jungs abzuhängen. Das bisher von Weiblichkeit verschonte Ideal ewig junger Schwesternschaft ist in Gefahr. Und außerdem die Leben der Hunde und Menschen rund um Ginger.
Besprechung: Ich hatte diesen Film nach einem Drehbuch von der dafür prämierten Karen Walton in sehr guter Erinnerung und habe ihn in meinen Zwanzigern abgefeiert. Bis heute gilt er bei vielen Horrorfans als kleiner Kultfilm, was sicher an den beiden Hauptfiguren liegt, mit denen sich viele Horrorfans allein schon vom Look her gut identifizieren können. Außerdem ist das wohl der erste Film, der das weibliche Erwachsenwerden mit der Werwolfthematik verknüpft und dabei Elemente des Teeniefilms mit rustikalem Horror und einer feministischen Perspektive verknüpft. Bis heute ist Menstruation tendenziell ein Tabuthema, im Jahr 2000 war das sicher nicht anders, und allein für den offenen Umgang in „Ginger Snaps“ muss man den Film loben.
Allerdings habe ich beim aktuellen Wiedersehen festgestellt, dass mir die pubertären Fitzgerald-Schwestern heutzutage etwas zu pubertär sind. Die Selbstmordnachstellungen finde ich heute eher beknackt als lustig, und dass die beiden einen Hund töten wollen, um sich an dessen Halterin zu rächen, hat meine Sympathie für die beiden auch nicht verstärkt. Auch bin ich kein Fan von der Filmmusik, und schließlich muss ich auch sagen, dass die darstellerischen Leistungen in dem Film nicht über jeden Zweifel erhaben sind. Gerade Emily Perkins als verdruckst-kauzige Brigitte konnte mich nicht durchgängig überzeugen. Vielleicht liegt es auch daran, dass mittlerweile mit Serien wie „Sex Education“ oder „Tote Mädchen lügen nicht“ besser geschauspielerte Teenie-Serien vorliegen, die sehr offen mit Tabuthemen umgehen. Allerdings wäre es ungerecht, ausgerechnet einem Vorreiter-Film wie „Ginger Snaps“ daraus einen Strick zu drehen.
Sowieso überwiegen die Stärken: Der Film ist nicht zu vorhersehbar, das Thema des Erwachsenwerdens wird so tragisch wie komisch behandelt und einige der Werwolfszenen sind richtig cool, gerade weil man nicht viel sieht. Hier zahlen sich die in den 2000ern beliebten hektischen Schnitte einmal aus. Schön ist auch, dass der Film auf der Horrorseite nicht zu zahm ist, sondern sich sein FSK 18 zumindest aus der Sicht des Jahres 2000 verdient, auch wenn er leider selten gruselig wird. Dafür gibt es eine schöne Halloweenparty in einem Gewächshaus, eine kurze aber coole Werwolf-Transformation und ein starkes Finale und Ende.
Was das Werwolftum in „Ginger Snaps“ angeht: Anders als bei Lykanthropen üblich, verwandelt sich Ginger (durchaus solide gespielt von Katherine Isabelle) nicht bei Vollmond plötzlich in ein haariges Biest, sondern mutiert nach und nach vom Teeniegirl zum dämonischen Raubtier. Auch das macht diesen Werwolffilm zu etwas Besonderem. Aus heutiger Sicht würde ich ihm nur 3 Sterne geben, aber ein Pionier-Bonus von 0.5 Punkten ist allemal drin.
Trivia: Es gibt noch zwei Fortsetzungen, unter denen der düstere „Ginger Snaps 2" zu empfehlen ist, das fast gleichzeitig in die Kinos gekommene Prequel „Ginger Snaps 3" hingegen nicht. Der 1815 in einem Handelsfort in der kanadischen Wildnis spielende Film wirkt leider wie die Aufnahme eines Liverollenspiels. Katharine Isabelle, die genau wie Emily Perkins in allen drei Teilen mitspielt, taucht auch in anderen Horrorfilmen auf. Zum Beispiel in „Freddy vs. Jason" und als Hauptfigur in „American Mary". Das ist deswegen bemerkenswert, weil die 1981 geborene Schauspielerin an einer Blutphobie leidet. Es dauerte übrigens sechs Monate, bis die Produzenten die richtigen Hauptdarstellerinnen gefunden hatten, die dann kurioserweise auch noch am gleichen Tag zum Vorsprechen kamen. Erwähnenswert finde ich auch, dass Regisseur John Fawcett darauf bestand, im Film komplett auf CGI zu verzichten, was im Jahr 2000 eine so mutige wie kluge Entscheidung gewesen ist. Als letzte Randnotiz: Da gerade das Columbine Massaker, also ein sogenannter "Amoklauf" in den USA stattgefunden hatte, hatte der Film, in dem Teenagergewalt im Highschool-Umfeld eine Rolle spielt, große Probleme, Fördergelder einzutreiben. Er wurde dennoch ein Erfolg.
IMDB: 6.8 von
10
Letterboxd-Rating: 3.6 von 5
Neft-Rating: 3.5 von 5
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