Frischer, kluger Werwolffilm aus Belgien
• Belgien, Luxemburg 2022
• Regie: Jaques Molitor
• Laufzeit: 90 Minuten
Handlung: Elaine ist eine alleinerziehende Mutter, die eigentlich ein gutes Verhältnis zu ihrem heranwachsenden Sohn Martin hat. Als er sich aber zunehmend unberechenbar und aggressiv verhält, besucht sie mit ihm die sonderbare Familie seines Vaters auf einem Landgut in der luxemburgischen Pampa. Der Kontakt zur väterlichen Vergangenheit verschlimmert die Symptome aber nur.
Besprechung: Das ist ein sehr charmanter luxemburgisch-belgischer Werwolffilm, der zwar visuell nur aussieht wie eine bessere TV-Produktion, der aber in sich stimmig eine altbekannte Geschichte auf etwas andere Art erzählt. Der Film lebt von charismatischen Figuren, einem ansprechenden Setting und einer Verzahnung von Motiven, die zu Gedanken über das Patriarchat inspirieren.
Welche Mutter kennt es nicht: Da hat man einen süßen, kleinen Sohn, der noch nichts Männliches hat, ja er ist genderfluid, quasi non-binär und gerade deshalb der perfekte Ersatzpartner, weil er weder an den unheimlichen Exmann erinnert, noch daran, dass man auch als Mutter erotische Gefühle hat. Dann aber passiert etwas: Der Bube kommt irgendwie in Kontakt mit dieser ganzen toxischen Männlichkeit, entwickelt Appetit auf rohes Fleisch, will mit Opa jagen gehen und man selbst mutiert von der coolen Mama aus der Großstadt zum Provinzmäuschen in spießigen Kleidern und begleitet den zunehmend sonderbaren Jungen zur Erstkommunion. Und plötzlich ist man mittendrin in diesem ganzen reaktionären Kirche-Jagd-Geschlechtertrennungs-Bullshit, den man schon lange hinter sich gelassen zu haben glaubte. Wer mir hier nicht mehr folgen kann: Macht nichts! Regisseur Jacques Molitor hat den Film seiner Mutter gewidmet, die wohl genau danach verlangt hat.
Der Horror ist in diesem Film zurückhaltend und effektiv inszeniert. Es gibt wenige Effekte, aber die sind gut umgesetzt, was in einem Werwolffilm schon viel ist. Musik und Sounddesign werden gut eingesetzt und Hauptdarstellerin Louise Manteau ("Conann") spielt die toughe, alleinerziehende Mutter richtig gut.
Der Film erfindet das Werwolfrad nicht neu und ist auch inszenatorisch weder originell noch aufwändig. Aber es ist ein liebevoll gedrehter Film, der es schafft, sein Thema weder ins Lächerliche driften zu lassen, noch übertrieben ernst zu nehmen. Und auch das ist bei einem Werwolffilm wirklich schon allerhand. Sehr schön sind auch die Passagen, in denen Figuren des Films auf Luxemburgisch reden, eine in meinen Ohren sehr anheimelnde Sprache.
Trivia: Der belgische Originaltitel des Film ist „Kommunioun“, und da mir das belgische Plakat besonders gut gefallen hat, habe ich es trotz möglicher Titelverwirrung für Hopsy ausgewählt. Der 1980 geborene Regisseur Jaques Molitor studierte zunächst Medizin, bevor er sich zu einem Filmstudium einschrieb. Sein erster Film kam 2014 unter dem Titel „Mammejong“ (zu deutsch „Muttersöhnchen“) in die Kinos. „Wolfkin“ ist sein zweiter Film.
IMDB: 5.5 von
10
Letterboxd-Rating: 3.2 von 5
Neft-Rating: 3 von 5
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Steffelowski (Dienstag, 30 Januar 2024 19:53)
Filme mit Werwölfen haben mich irgendwie nie gepackt. Fand ich nie gruselig, geschweige denn spannend. Der einzige Film in dieser Richtung, der mich zumindest ein bisschen gepackt hat, war „ Wolfen“ von 1981. Kennst du den?
Anselm (Mittwoch, 31 Januar 2024 00:10)
Wolfen ist mein Jugendlieblingsfilm zusammen mit Evil Dead und Ritter der Kokosnuss. Ich habe den gestern noch mal gesehen und bespreche ihn am Freitag. Bei Werwolffilmen sind in meinen Augen oft die gezeigten Werwölfe und die gezeigten Verwandlungen das Problem. Es sieht halt schnell aus wie auf der Geisterbahn. Auch hat der Werwolf nicht die Raffinesse eines Vampirs, aber an sein Potenzial glaube ich weiterhin.
Steffelowski (Mittwoch, 31 Januar 2024 22:03)
Oh, wie blöd, dass ich da quasi schon etwas verraten habe. Tut mir leid.
Die Punkte die du anführst, beschreiben die Problematik der Figur des Werwolfs im Film sehr treffend. Die Verwandlungsszenen sind trotz aller technischen Raffinessen, die dem Medium Film inzwischen zur Verfügung stehen, nicht viel besser als das, was man in den alten Universal-Filmen mit Lon Chaney jr. oder z.B. in „Der Fluch von Siniestro“ zu sehen bekam. Das finde ich schon erstaunlich, das man an der Stelle noch immer nicht zu überzeugen weiß. Das hat man in dem Film, über den es am Freitag etwas zu lesen gibt, einigermaßen galant gelösc.
Und ja, die Figur des Werwolfs hat nie das Format erreicht, wie es die meisten anderen klassischen Gruselmonster geschafft haben. Es fehlt die Melancholie der Kreaatur von Frankensttein, oder die erotische Ausstrahlung eines Grafen Dracula. Ich glaube auch nicht daran, dass es der Werwolf jemals von seinem Status des ungeliebten Kindes der Horrorfiguren lösen wird. Woooooooooohhhhhhhhhh.