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American Werewolf (Mit Audio)

Zeitloser Volltreffer

 USA 1981        

 Regie: John Landis                             

 Laufzeit: 97 Minuten

 

Handlung: David und Jack, zwei amerikanische Touristen auf großer Europatour, stapfen mit ihren Rucksäcken durch die nordenglische Heide und landen in einem winzigen Kaff. Dessen einzige Attraktion ist der Pub, wo die beiden Studenten allerdings ziemlich verhalten begrüßt werden. Als sie nach dem Grund für das Pentagramm an der Wand der Kneipe fragen, werden sie vor die Tür gesetzt. Es wird dunkel, der Vollmond steigt auf…

 

Besprechung: Es ist erstaunlich, wie in diesem Film alles zusammenpasst. Komödie, Horror und Drama verbinden sich mühelos und verstärken sich jeweils gegenseitig. Die Charaktere wirken nahbar, sympathisch und charismatisch, die Chemie zwischen David und Jack ist so faszinierend wie die erotische Anziehung zwischen David und der tollen englischen Krankenschwester Alex. Überhaupt trägt das Britische inklusive der herrlichen Sprache sehr zur Atmosphäre des Films bei. So ist das schaurig-schöne Pub namens „The Slaugthered Lamb“ in meinen Augen einer der besten Wohlfühl-Horror-Orte überhaupt. Das bekannte Horrorfilmsetting wird schön frisch in Szene gesetzt. 

 

Das gilt für den ganzen Film: Er bedient sich aus dem bekannten Fundus, weiß aber die Stereotype mit neuem Leben zu versehen und mit überraschenden Einfällen zu kombinieren. Die Geschichte ist übersichtlich und lässt genug Raum für viele hübsche kleine Szenen, die nicht zur Handlung beitragen, aber zur Atmosphäre und zum Spaß (die Kinder im Krankenhaus, die Punks in der U-Bahn, die Scotland Yard-Beamten, der Ballonjunge usw.).

 

Kameraarbeit, Sounddesign und Filmmusik sind überdurchschnittlich. Der Oskar ging aber an Maskenbildner Rick Baker, der sich mit der Verwandlungsszene ein Denkmal setzte. Man muss bedenken, dass damals keine Computereffekte genutzt wurden, sondern alles Handarbeit vor Ort war. Das Ergebnis ist bis heute sehenswert und stellt einen Meilenstein im Horrorkino da. Das gilt auch für die schwarzhumorige Kombination von komödiantischen Elementen mit Splatter, auf die später  Filme wie Evil Dead 2 oder Braindead in verstärktem Maße setzten. Auch Edgar Wright, der Regisseur der großartigen britischen Zombie-Horror-Komödie Shaun of the Dead nennt „American Werewolf“ als großen Einfluss. 

 

Trivia: Michael Jackson war ein Fan des Films und bat John Landis die Regie für sein Musikvideo „Thriller“ zu übernehmen. Die Maske sollte Rick Baker machen. Beide sagten zu, und das 13-minütige „Thriller“ wurde eines der berühmtesten Musikvideos aller Zeiten. 

 

Einige Szenen schnitt John Landis nach Testvorführungen und um zumindest ein R-Rating (Freigabe ab 17 Jahren in den USA) zu erhalten aus dem Film, was er später bedauerte. Dazu zählt die Kürzung der Sexszene zwischen Alex und David, die komplett rausgeschnittene Tötung der drei Obdachlosen durch den Werwolf und eine Szene, in der der Untote Jack ein Stück Toast isst, dass ihm aus dem offenen Hals fällt. 

 

John Landis, der früher selbst Stuntman war, bevor er Filme wie Blues Brothers drehte, hat einen in den Credits nicht erwähnten Cameo-Auftritt im Finale des Films. Er ist der Mann, der ins Fenster geworfen wird. 

 

Die Kinder von John Landis und seiner Ehefrau Deborah Nadoolman heißen wie die Geschwister von David im Film: Rachel und Max.

 

IMDB: 7.5 von 10

Letterboxd-Rating: 3.8 von 5                                                                                                      

Neft-Rating: 5 von 5 

 

// HOPSYS GEDANKEN

(Achtung Spoiler!)

 

„Er ist Jude“, sagt die eine Krankenschwester zur anderen über den Patienten David. Woher sie das weiß? Sie hat nachgesehen. Wie so oft in „American Werewolf“ liegen Komik und Unbehagen hier nah beieinander. Der kurze Dialog wird in der deutschen Synchronisation unterschlagen, ist aber der Schlüssel zum tieferen Verständnis des Films, der neben allem Entertainment auch eine drastische Bebilderung von survivor guilt ist, dem Schuldgefühl, das Menschen haben können, wenn andere Menschen gestorben sind, sie selbst aber verschont wurden. Das in Deutschland „Überlebensschuld-Syndrom“ genannte Phänomen, das als posttraumatische Belastungsstörung gilt, erhielt seinen Namen in den 1960ern durch den deutsch-amerikanischen Psychoanalytiker und Psychiater William G. Niederland. Er hatte bei hunderten von KZ- und anderen Holocaust-Überlebenden schreckliche Schuldgefühle, Niedergeschlagenheit bis zur Suizidalität und ein anhaltendes Bedrohungsgefühl beobachtet. 

 

David in unserer Geschichte erlebt den grausamen Mord an seinem Freund Jack, rennt anfangs aus Angst vor dem Werwolf weg, entscheidet sich dann um, und kehrt zum Tatort zurück. Aber es ist bereits zu spät ist: Jack ist eine zerfetzte Leiche. Genau in diesem traumatischen Moment wird David selbst gebissen und mit dem Werwolffluch infiziert. Im Folgenden ist er als amerikanischer Jude nicht nur ein Fremdling in der anders gearteten britischen Gesellschaft, er trägt auch den Keim des „ganz Anderen“ in sich, der schuldbeladenen Bestie, die es zu vernichten gilt. 

 

In seinen Visionen und Alpträumen spricht er nicht allein mit seinem toten Freund, der ihm mit zerfetztem Gesicht erscheint – David sieht sich auch in seinem Elternhaus, das plötzlich von Zombies in Nazi-Uniformen gestürmt wird, die seine Eltern und Geschwister und schließlich ihn brutal töten. Diese Szene wirkt deplatziert, wenn man den Bezug zum Überlebens-Syndrom nicht erkennt. 

 

Trotz seines Traumas verliebt sich der junge, lebenslustige David in Alex, „seine“ Krankenschwester. Die wunderbare Leichtigkeit und erotische Anziehung zwischen den beiden kann jedoch David nicht retten. Sein toter Freund erscheint wieder und gibt ihm die Schuld dafür, dass er und andere Werwolfopfer sich als Untote in einer wenig lebenswerten Zwischenwelt befinden. Die Toten sind für den Überlebenden nicht tot, sondern untot, unerlöst. Jack bietet die Lösung an: „Du musst dich umbringen.“

 

John Landis, der selbst Jude ist, verpackt hier ein knüppelhartes Thema in einen leichtfüßigen Mainstreamfilm und führt es konsequent zu Ende. David mutiert in London vollends zum hassenswerten Außenseiter, lebt die mörderischen Impulse, von denen er sich selbst bedroht fühlt und wird schließlich in einem Pornokino mit den Untoten konfrontiert, die er als blutdürstige Bestie unter Reichen wie Armen der Stadt „produziert“ hat. Sie alle erklären ihm, wie er sich am besten das Leben nehmen kann.

 

Die Liebe der klugen, einfühlsamen Krankenschwester kann den sympathischen David nicht retten. Am Ende stirbt er im Kugelhagel der Polizei in einer schmutzigen Seitenstraße. In einen Menschen zurückverwandelt wirkt sein nackter Leichnam wie der vom Kreuz genommene Christus, der für die Sünden der Menschen gestorbene „König der Juden“.

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