Saftiger Werwolffilm, der den Subtext an die Oberfläche holt
• USA 1981
• Regie: Joe Dante
• Laufzeit: 91 Minuten
Handlung: Die Nachrichtensprecherin Karen wird von einem Serienmörder gestalkt, dreht den Spieß aber um und lockt den Sadisten mit Hilfe ihres quotengeilen TV-Senders in eine Falle. In einer Pornokabine allein mit dem Mörder muss sie allerdings zuvor grässliche Augenblicke der Angst aushalten und sich obendrein einen fiesen Vergewaltigungsfilm ansehen. Nachdem die Polizei den Killer erschossen hat, könnte Karen aufatmen, leidet aber unter posttraumatischem Stress und begibt sich deshalb auf Anraten ihres Therapeuten in dessen Therapiezentrum an der bewaldeten Küste. Ihren Ehemann nimmt sie mit in diese „Kolonie“ voller schräger Typen, die unter Leitung des Doktors wieder in Einklang mit ihrer wilden Seite kommen wollen.
Besprechung: Das ist ein seltsamer Werwolffilm. Auf der einen Seite scheint er das Thema ernst zu nehmen und wartet mit gruseligen Waldszenen, Mondbildern, fett getricksten Verwandlungen und psychologischen Ausführungen über unterdrückte Triebe in der Zivilisation auf, die Anfang der 1980er noch dem psychologischen Zeitgeist entsprachen. Auf der anderen Seite will der Film auch eine Mediensatire sein und gibt sich obendrein in Bezug auf das Genre „Werwolffilm“ sehr bewusst, womit ein Augenzwinkern („Kennste? Kennste?“) Richtung wissendes Publikum einhergeht.
Die ernste Seite gefällt mir besser, denn der Einstieg mit dem Serienmörder in der Pornokino-Kabine hat durchaus etwas Beklemmendes, und auch die Idee mit dem Therapie-Zentrum für Traumatisierte in der Wildnis ist ziemlich cool. Dieses Setting allein macht den kompetent fotografierten Film für mich inspirierend und sehenswert. Durch einen kurz gezeigten TV-Beitrag im Film wird diese „Kolonie“ subtil mit der Jonestown-Gemeinde in Verbindung gebracht, einem Kult am Rande des Urwalds von Guayana, dessen 1100 Mitglieder auf Geheiß ihres Gurus Jim Jones mehrheitlich Selbstmord begingen. Solche düsteren Hinweise vertragen sich in meinen Augen nicht so gut mit der Leichtigkeit, die der Film an anderer Stelle zeigt und die zu anderen Werken Joe Dantes wie „Piranha“ oder „Gremlins“ passt.
Das soll nicht heißen, dass „Das Tier“ nicht klar ein Horrorfilm ist. Der Gore ist nicht ohne, die Werwolf-Szenen sind mit Liebe gemacht (gerade auch die, in der Werwölfe Liebe machen!), aber dennoch (und wie so oft) sehen die Biester im Endzustand aus wie in Zuckerwatte explodierte Osterhasen. Die Darsteller sind okay – wenn man mit 1980er-Schnurrbärten und -Dauerwellen umgehen kann – und teils durchaus namhaft. Der Score von Pino Donaggio schwankt mit seiner klassischen Orchester-Horrorfilmmusik und minimalistischen Synthesizer-Einlagen wie der gesamte Film zwischen effektiv gruselig und leicht parodistisch, ohne dass die Satire in Bezug auf Medien oder das Werwolf-Genre mehr als halbherzig wäre. Besser funktioniert da schon die Bezugnahme auf alte Filme durch verschiedene Gags für Insider.
Die Werwölfe in „Das Tier“ – ja, es sind mehrere – sind keine verfluchten Kreaturen, die gegen ihren Willen bei Vollmond zu blutrünstigen Bestien werden. Vielmehr können sie sich auf eigenen Wunsch verwandeln, vergleichbar mit den Animagi bei Harry Potter, und sind dabei unterschiedlich gemeingefährlich, aber allesamt keine Moralapostel. Das passt gut zum Ansatz des Films, der anders als die Werwolf-Klassiker der 1940er bis 1960er Jahre die sexuelle Gier des Biests nicht im Subtext verstecken muss, sondern sie ins Rampenlicht zerren kann. Damit zählt „Das Tier“ zu einem Wegbereiter modernen Horrors, in dem die alten Monster für ein neues Nach-1968er-Publikum deutlich freizügiger und brutaler in Szene gesetzt werden. Und womöglich trotzdem weniger schockieren.
Das hat durchaus Charme und ist nie langweilig, aber ein bisschen habe ich den Eindruck, dass der Film sein Potenzial nicht ganz nutzt, weil er sich nicht entscheiden kann, ob die Lustmolche, also Werwölfe, erschrecken oder letztlich nur Spaß machen sollen.
Trivia: Zu den in-jokes gehören: Roger Corman, wohl der B-Movie-Horror-König der 1960er, der einen Kurzauftritt vor einer Telefonzelle hat, in der Karen mit dem Serienkiller spricht. Oder das Bild von Lon Chaney jr. an der Wand des Therapeutenbüros (Lon Chaney jr. spielte mehrmals den „Wolfman“, am populärsten im gleichnamigen Film aus dem Jahr 1941). Ein weiteres easter egg sind die Namen etlicher Figuren, die auf die Namen von Regisseuren zurückgehen, die Werwolffilme gedreht haben. Wer alle zehn erkennt, muss ein Horror-Nerd sein.
Die Trickeffekte hier stammen von Ron Bottin, der ein Jahr später für Carpenters „The Thing“ noch deutlich mehr aufdrehen sollte. Zunächst machte übrigens Rick Baker die Special Effects für „Das Tier“, verließ dann aber den Dreh, um sich beim gleichzeitig produzierten Amercian Werewolf zu verdingen, und überließ seinem Assistenten Bottin die Bühne. Beide Filme wurden später wegen ihrer Effekte und vor allem den hübschen Werwolf-Transformationen gelobt.
IMDB: 6.5 von 10
Letterboxd-Rating: 3.3 von 5
Neft-Rating: 3.5 von 5
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