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Das Dorf der Verdammten

 Zurückhaltender SF-Grusel, der zu Interpretationen einlädt

 Vereinigtes Königreich, USA 1960

 Regie: Wolf Rilla

 Laufzeit: 77 Minuten

 

Handlung: England Mitte des 20. Jahrhunderts. Im beschaulichen Örtchen Midwich verlieren plötzlich alle Bewohner*innen des Ortes das Bewusstsein. Darunter der pensionierte Physiker Gordon Zellaby, der gerade mit seinem Schwager telefoniert, als er zusammenbricht. Dieser Schwager ist Major der Armee und sieht sofort nach dem Rechten, kann aber weder Giftgas noch sonstige Finten des russischen Feindes entdecken. Und dann wachen alle wieder auf, als ob nichts gewesen wäre. Neun Monate später bekommen erstaunlich viele Frauen des Ortes Kinder. Und diese sind alles andere als normal.

 

Besprechung: Ein ungewöhnlicher Film nach einem ungewöhnlichen Buch („Kuckuckskinder“ von John Wyndham, das 1957 in England unter dem Titel „The Midwich Cuckoos“ erschienen ist). Die „Kuckuckskinder“ sind dann auch das Highlight des Films: super gecastet, super ausgestattet (diese Klamotten!) und super in Szene gesetzt. Ich liebe auch ihre Leuchtaugen, auch wenn dann das Bild immer auf Standbild einfriert, weil 1960 tricktechnisch wohl nicht mehr drin gewesen ist, zumindest nicht in diesem B-Movie. Was mir auch gut gefallen hat: Die Männer sind hier mal keine Vollidioten, sondern emotional intelligente, besonnene Menschen, die sich vernünftig um eine konstruktive Lösung für die Gemeinschaft bemühen. Vor allem die sympathische Hauptfigur Gordon Zellaby (gespielt von George Sanders), besticht durch milden Charme und die Fähigkeit, Verantwortung zu übernehmen. Da stimmt es weniger nachdenklich, dass er mit einer deutlich jüngeren Frau verheiratet ist. Erst durch "Das Dorf der Verdammten" ist mir aufgefallen, wie sehr ich mich schon an bekloppte Männer in (Horror-)Filmen gewöhnt habe: entweder toxisch, gefährlich oder einfach nicht hilfreich. Schlimm! 

 

Im Gegenzug hat dieser Film hier leider keine interessanten Frauenrollen zu bieten. So ist Athena, die Ehefrau des Physikers (gespielt von Barbara Shelly), flach charakterisiert und zu sehr ganz die „gute Ehefrau“ um interessant zu sein. Shelley sagte in späteren Interviews, dass sie das Drehbuch für frauenfeindlich hielt, da den Frauen, die die Kinder bekommen, kaum screen time bekommen und Männer alle wichtigen Szenen dominieren.

 

Ein weiteres Manko des Films ist das Editing. Unwichtige Szenen wie der alberne Absturz eines Motorflugzeuges nehmen Raum ein, während die Entwicklung der Kinder und ihre Interaktion mit dem schnuckligen englischen Dorf und seinen Bewohner*innen zu kurz abgehandelt werden. Die psychologische Entwicklung der männlichen Hauptfigur ist entsprechend sprunghaft. Das ist schade, denn der gut fotografierte Film, der mit einer starken, dynamischen Kamera und der für damals typischen manischen Musik aufwartet, hat inhaltlich viel Potenzial und lädt zu einigen Interpretationen ein. 

 

Trivia: Viel ist über die möglichen Aussagen des Films gegrübelt und geschrieben worden. In den 1960ern spielte wahrscheinlich die Angst vorm "Russen" oder neumodischen Strahlenwaffen eine Rolle. Und sehr wahrscheinlich auch die patriarchale Angst vor „Kuckuckskindern“, die die liebe Gattin während des Krieges mit einem anderen Mann gezeugt haben mochte. Möglicherweise spiegelt der Film auch die Besorgnis der älteren Menschen angesichts einer jungen, entfremdeten Generation wider. 

 

Aus heutiger Sicht finde ich vor allem die Frage interessant, wie wir mit dem und den Anderen umgehen. Sind die Kinder böse? Wären Kompromisse und Austausch denkbar? Könnten die emotionslosen Kinder aufgrund ihrer überragenden geistigen Fähigkeiten nicht doch der menschlichen Moral zustimmen, die z.B. bei Kant ja rein mit der Vernunft begründet wird? Klar, der Film ist in erster Linie ein Unterhaltungsprodukt. Deswegen sind hier Flugzeugabstürze womöglich wichtiger als tiefe Figurenzeichnung. Dennoch ist es interessant, was so ein kleiner, hübscher Schwarzweiß-Film bis heute an Gefühlen und Gedanken auslösen kann.

 

1964 erschien mit „Die Kinder der Verdammten“ eine inhaltlich interessante Neuversion mit anderer Story, die die ambivalenten Gefühle und Gedanken gegenüber den spezialbegabten Kindern vertieft. Leider ist das Ganze filmisch nicht besonders spannend, die Handlung zieht sich und wird durch zu viel semi-schlaue Dialoge gestreckt.

 

IMDB-Rating: 7.3 von 10

Letterboxd-Rating: 3.6 von 5

Neft-Rating: 3.5 von 5 

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