Fragwürdiger Film nach einem fragwürdigen Fall
• USA 2021
• Regie: Michael Chaves
• Laufzeit: 112 Minuten
Handlung: 1981. Unser bieder gekleidetes Dämonologen-Paar Ed und Lorraine Warren unterstützt Pater Gordon bei einem Exorzismus. Irgendein „nichtmenschlicher Geist“ ist in den achtjährigen David Glatzel gefahren. Von dort wechselt er im Verlauf der Austreibung in einen jungen Mann, der sich bereitwillig anbietet, um den kleinen Jungen zu retten. Danach scheint erst einmal Ruhe zu herrschen. Bis der junge Mann einen Mord begeht und die Warrens einem satanistischen Komplott auf die Spur kommen.
Bewertung: Dies ist der erste Teil der Conjuring-Reihe, der nicht von James Wan sondern von Michael Chaves gedreht wurde, aber das merkt man kaum. Wieder ist die Kamera sehr dynamisch, wieder sind die Produktionswerte hoch und das historische Dekor und der Score gelungen. Der dritte Teil setzt weniger auf Jumpscares und willkürlich auftauchende Spukfratzen, was ihn zwar etwas bodenständiger, aber nicht spannender oder gruseliger macht. Dazu funktioniert die emotionale Anbindung an die Figuren diesmal zu wenig, die Ortswechsel verhindern eine sich steigernde klaustrophobische Atmosphäre und die Dramaturgie ist zu sehr Stop-and-Go. So fängt der Film gleich ziemlich rasant an, alle Regler auf Anschlag, danach sackt das Energielevel natürlich erst einmal wieder ab. Ed und Lorraine überzeugen mich diesmal nicht besonders. Sie wirken weniger warm und sympathisch, ihre enge Bindung wirkt mehr behauptet als fühlbar, und obwohl sie es besser können, tendieren deren Darsteller Patrick Wilson und Vera Famiglia diesmal häufiger zum Schmierentheater. Vielleicht ist ihnen der Plot auch unangenehm. Ich zumindest frage mich, ob man in den USA, in denen Fundamentalismus und eine christliche Rechte stark und einflussreich sind, die alte Satanic Panic schüren und psychische Krankheiten zu dämonischen Besessenheiten umfabulieren muss. Und das Ganze auch noch mit dem Anstrich des Authentischen.
Der junge Mann, der in diesem Film eine zentrale Rolle spielt, heißt Arne Johnson, bringt seinen Vermieter um und behauptet, von einem Dämon besessen gewesen zu sein. Der englische Beititel des Films ist „The Devil Made Me Do It“ – und genau das sagte der reale Arne Johnson vor Gericht, dem ersten Fall in den USA, in dem die Verteidigung auf „dämonische Besessenheit“ plädierte. Johnson wurde schließlich zu 10 bis 20 Jahren verurteilt, verbüßte aber nur knapp fünf Jahre seiner Haftstrafe. Die Warrens tauchten auch in der Realität bei den Glatzels auf und erzählten von dämonischer Besessenheit. Anders als im Film hatte David Glatzel allerdings noch ältere Brüder, die das bekannte Dämonologen-Paar als Betrüger bezeichneten (1). Einer von ihnen, Carl Glatzel, schrieb später ein Buch über die Ereignisse („Alone Through the Valley“), das von mental illness und nicht von Besessenheit durch einen Dämon handelt. Der echte Arne Johnsohn und seine Frau Debbie unterstützen jedoch bis heute die Sichtweise der Warrens und somit auch den Film.
Übrigens sagte Johnsohn zwar vor Gericht „The devil made me do it“, aber als er von Polizisten vom Tatort abgeführt wurde, erklärte er diesen: „I need help, because I’ve got a drinking problem.“
Ich halte es für unmoralisch, sich als Filmproduzent in einem solchen Fall auf die Seite der „Dämonologen“ zu stellen und die tragischen Ereignisse monetär mit einem Entertainment-Produkt auszuschlachten. Auch Conjuring 1 und 2 sind in dieser Hinsicht fragwürdig, aber bei den zugrundeliegenden Fällen kam niemand zu Tode und psychische Krankheit wurde in diesen beiden Filmen nicht zur teuflischen Besessenheit umgedeutet.
Nein, Conjuring 3 ist kein schlechter Film, und die Bösewicht-Figur ist hier wirklich stark, aber ich gebe aus den genannten dramaturgischen und moralischen Gründen nur zwei Sterne und hoffe, dass die reaktionäre Welle im Horrorfilm bald wieder abebbt.
Trivia: Es gab bereits 1983 eine Verfilmung des „The Devil Made Me Do It“-Falls: „Brian – Die Höllenfahrt eines Besessenen“. Kevin Bacon schämt sich heute hoffentlich dafür, in diesem peinlichen TV-Filmchen mitgewirkt zu haben.
IMDB-Rating: 6.3 von 10
Letterboxd-Rating: 2.7 von 5
Neft-Rating: 2 von 5
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