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Friedhof der Kuscheltiere (mit Audio)

Klassiker nach Roman von Stephen King

 USA 1989        

 Regie: Mary Lambert                             

 Laufzeit: 103 Minuten

 

Arzt zieht mit Frau und zwei kleinen Kindern aufs Land. Das Haus dort ist hübsch, liegt nur leider nah an einer Straße, die von Tanklastern befahren wird. Kein Wunder also, dass es in der Nähe den „Friedhof der Kuscheltiere“ gibt, wie ein alter Witwer die neu zugezogene Familie wissen lässt. Aber wirklich interessant ist der düstere Ort, der dahinter liegt, versperrt durch einen Wall aus Totholz. Und wie Männer so sind: Man kann sie warnen und warnen, aber früher oder später müssen sie wissen, was es mit den Kräften dieses Ortes auf sich hat. 

 

Wer Ende der 80er jung war und „Friedhof der Kuscheltiere“ gesehen hat, erinnert sich wahrscheinlich noch gut daran. Der Film hat sich ins Angstgedächtnis einer ganzen Generation eingeprägt. Und das kann ich auch heute noch nachvollziehen. Denn wie die Romanvorlage berührt die Verfilmung gleich mehrere sensible Punkte: von überfahrenen Katzen und Selbstmord über körperlich und psychisch fürchterlich erkrankte Geschwister bis hin zu kichernden Killer-Toddlern, die eine Spritze in den Hals bekommen – das ist auch heute noch krass. Ein Trick des Films besteht vermutlich darin, dass er sich wie ein zahmer Mainstream-Film gibt, tatsächlich aber ein wildes B-Movie ist, mit all den typischen Merkmalen: Die Dialoge sind nicht allzu ausgearbeitet, die Schauspielkünste halten sich weitgehend im Rahmen (positiv sticht Fred Gwynne als Witwer heraus), für bürgerliche Sehgewohnheiten ist das Ganze zu geschmacklos und direkt, und gleichzeitig trifft der Film ganz unverblümt mindestens einen Nerv, womöglich besser als es eine anspruchsvollere Variante gekonnt hätte. 

 

Die Verfilmung wird der Vorlage atmosphärisch gut gerecht. Das ist typischer Stephen-King-Stoff, in der typischen King-Gegend (irgendein ländlicher Ort in Maine) und den typischen King-Charakteren. Schließlich hat King – der im Film einmal kurz als Priester auftaucht – höchstpersönlich das Drehbuch geschrieben, und das ziemlich gut, denn es gibt keine nennenswerten Längen und keinen Spannungsabfall. Okay, vielleicht ist der kleine Missy-Plot genauso unnötig wie der Plot über die kranke Schwester, aber wahrscheinlich ist das ein Fanservice für die Romanleser und fügt ein paar verstörende Szenen hinzu. Allerdings bin ich mir nicht sicher bin, ob wir bei der Schwester nicht die Grenze zum Ableismus überschreiten. Dazu mehr unter „Hopsys Gedanken“. 

 

Der Film kann sich bis heute sehen lassen: Die handgemachten Effekte überzeugen noch immer, das Familienbild wirkt nicht nennenswert angestaubt und der Score von Elliot Goldenthal ist am Anfang so stark, dass man sich fragt, warum das Kinderchor-Motiv später nicht wieder aufgegriffen wird. Zur Entschädigung gibt es zum Abspann die Ramones mit ihrem eigens für den Film eingeschrammelten Song „Pet Sematary“. 

 

„Friedhof der Kuscheltiere“ ist kein Meisterwerk, aber ein gut gealterter Horrorfilmklassiker. Regisseurin Mary Lambert hat danach leider nichts Vergleichbares mehr hinbekommen, dafür aber immerhin die Trash-Perle „Mega Python vs. Gatoroid“ gedreht.

 

IMDB: 6.5 von 10

Letterboxd-Rating: 3.2 von 5                                                                                                      

Neft-Rating: 4 von 5 (inklusive Nostalgiebonus)

 

// HOPSYS GEDANKEN

 

In Horrorfilmen tauchen nicht selten Menschen auf, die körperlich oder psychisch versehrt sind, oft auch beides. Ob das Phantom der Oper, Frankensteins „Monster“, der brandnarbige Freddy Kruger, die Mutterfigur in "Barbarian" oder der völlig entstellte Victor Crowley aus der Hatchet-Reihe – krass aussehen gehört bei vielen Horrorfilm-Gestalten zum Jobprofil. In keinem anderen Genre sind Gefährlichkeit und befremdliches Aussehen so häufig verknüpft. Ähnlich verhält es sich mit psychischen Krankheiten. Manche Filme heißen dann auch gleich Psycho oder „Schizo“ und schüren Ängste vor Menschen mit Krankheitsbildern, die in der Regel vor allem den Betroffenen selbst Angst machen. In „Friedhof der Kuscheltiere“ ist es nun die fiktive Zelda Goldman, die als Schreckgestalt genutzt wird. Im Roman handelt es sich um ein zehnjähriges Mädchen, das an spinaler Meningitis leidet. Ihre Wirbelsäule verkrümmt sich zunehmend. Die Eltern verbannen das Kind in ein Hinterzimmer, wo es unter Schmerzmitteln auf dem Bett dahinvegetiert. Ihre zwei Jahre jüngere Schwester muss den Todeskampf der zunehmend aggressiven und psychisch verwirrten Kranken miterleben und empfindet noch als Erwachsene starke Schuldgefühle: Sie hat ihre entstellte Schwester gehasst und deren Tod als Erleichterung empfunden. Während das Buch der Figur der Zelda gerechter wird, weil es sie als geschundendes und vernachlässigtes Mädchen darstellt, das durch ihr Umfeld monströs gemacht wird, räumt der Film der Kranken nur sehr wenig Zeit ein. In Erinnerung bleibt vor allem ihr „gruseliges“ Aussehen und Verhalten. 

 

Horrorfilme ziehen von Kritiker*innen und Aktivist*innen immer wieder einmal den Vorwurf auf sich, ableistisch zu sein, also diskriminierend gegenüber Menschen mit körperlichen, psychischen oder mentalen Handicaps. Natürlich sind auch andere Genres in Bezug auf die Darstellung von Betroffenen nicht immer sensibel und gut informiert, aber in Horrorfilmen kommen Menschen mit Behinderung nicht nur gerne als besonders verwundbare und wehrlose Opfer oder zur Atmosphäre beitragende Randfiguren vor – sie sind auch nicht selten monströs und gefährlich. Dazu zählen die degenerierte Sippe aus The Texas Chainsaw Massacre, Jason Vorhees aus der Freitag der 13. Reihe oder die psychisch kranken Killer aus The Cell, Maniac oder „Split“.

 

Tatsächlich werden Menschen mit psychischen Krankheiten sowohl häufiger zu Opfern von Übergriffen und Gewalt (1) als auch häufiger zu Täter*innen (2). Die Gründe dafür sind natürlich vielfältig. Es wird in Zukunft Gelegenheit geben bei anderen Filmen näher darauf einzugehen.

 

Auch wenn leider bis heute manche Horrorfilme Zerrbilder von monströsen „Schizos“ und gruseligen „Hässlichen“ verbreiten und damit das schädliche Stereotyp von Krankheit als Ausdruck von Schlechtigkeit (im Sinne von „Gottes Strafe“) reproduzieren, so hat doch auch hier die Sensibilität tendenziell zugenommen. Und von Anfang des Genres an gilt, dass es auch Verständnis für Außenseiter (Carrie), Entstellte (Freaks) und Menschen mit (psychischen) Behinderungen (Der Babadook) oder posttraumatischer Belastungsstörung (It follows, The Lodge) vermitteln kann. 

 

Eine Besonderheit ist, dass „Psychopathen“ wie Michael Myers, Freddy Kruger oder Jason Vorhees von den Fans oft als eigentliche Stars der jeweiligen Horrorreihe gesehen und geliebt werden. Auch darüber an anderer Stelle mehr..

 

Übrigens: Der Film „Spring Break Zombie Massacre“ wurde von zwei Freunden mit Down-Syndrom gedreht, die in dem Film auch die Hauptrollen spielen. 

 

(1) https://www.aerzteblatt.de/archiv/137000/Psychisch-Kranke-Haeufiger-Opfer-von-Gewalttaten

(2) https://www.sueddeutsche.de/gesundheit/bottrop-psychische-erkrankung-gewalt-1.4272567

 

Lektürehinweise: 

https://www.forbes.com/sites/gusalexiou/2020/11/25/hollywood-must-stop-using-disability-imagery-purely-for-horror-and-cheap-thrills/

https://core.ac.uk/download/pdf/235416924.pdf

 

 

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