Kultiger 80er-Slasher um eine Killerpuppe
• USA 1988
• Regie: Tom Holland
• Laufzeit: 87 Minuten
Ein Serienmörder wird auf der Flucht von einem Polizisten in einem Spielwarenladen erschossen. Kurz vor seinem Tod kann er jedoch seinen Geist mit Hilfe von Voodoo in eine harmlose Puppe aus der gerade populären „Good Guy“-Reihe hineinzaubern. Und genau so eine will der kleine Andy unbedingt haben. Seine alleinerziehende Mutter besorgt ihm über einen zweilichtigen Trödler natürlich genau das verhexte Exemplar.
Anfangs erhielt dieser Film von Tom Holland („Fright Night“, „Thinner“) keine besonders guten Kritiken. Im Laufe der Zeit avancierte er aber unter Horrorfans zum Kult und zog etliche Fortsetzungen nach sich. Und das zu Recht. Einerseits ist das ein typisches Achtzigerjahre-Horror-B-Movie, andererseits hat „Chucky“ ein paar Asse im Ärmel und spielt sie mit gelassener Souveränität aus. Der Film funktioniert gleichermaßen als hanebüchener Slasher und als Parodie, ja sogar als Dekonstruktion des Subgenres und seiner tropes, denn die besessene Killerpuppe kennt ihre Vorbilder gut und ist gruselig und völlig albern zugleich. Handwerklich ist der Film über dem Durchschnitt, wird nie langweilig und hat einen faszinierenden Kinderschauspieler (Alex Vincent) zu bieten. Und dann gibt es auch noch den Vampir aus „Fright Night“ als Detektiv (Chris Sarandon), zwei ziemlich coole Frauenrollen (Catherine Hicks und Dinah Manoof) und eine schöne Anspielung auf „The Shining“ gegen Ende. Mir hat die stoische Herangehensweise an die alberne Prämisse sehr gut gefallen und ich kann den Film jedem empfehlen, der Humor hat und sich für 80er-Jahre-Slasher begeistert.
Interessanterweise war der Film bis Oktober 2011 in Deutschland indiziert, hat inzwischen aber eine FSK-16-Freigabe erhalten. Seit 2021 gibt es auch eine Chucky-Fernsehserie. In Deutschland auf SYFY zu sehen.
IMDB-Rating: 6.7 von 10
Letterboxd-Rating: 3.3 von 5
Neft-Rating: 4 von 5
// HOPSYS GEDANKEN
Manche Psycholog*innen gehen davon aus, dass kleine Kinder unbelebte Gegenstände für lebendig halten und menschliche Eigenschaften in sie hineinlesen können. Der Schweizer Biologe Jean Piaget, der Mitte des 20. Jahrhunderts die kognitive Entwicklungspsychologie begründete, nannte dieses Phänomen zusammen mit seinem Kollegen, dem einflussreichen Kinderanalytiker Hans Zulliger „Animismus“. Zulliger sprach von einer „infantilen bzw. prälogischen Denkkategorie“ und brachte sie mit dem „magischen Denken“ in Verbindung. Zu diesem magischen Denken wiederum gehören für Zulliger und andere „Allmachtsphantasien“ und „Wiederholungszwang“, also Vorstellungen, dass das eigene rituelle Verhalten Einfluss auf Dinge nehmen kann, auf die man eigentlich nicht kontrollieren kann, zum Beispiel das Wetter, das Ergebnis eines Würfelwurfs oder den Gesundheitszustand eines Elternteils. Auch der Entwicklungspsychologe Rolf Oerter spricht bei Kindern von animistischem Denken, das Teil ihres egozentrischen Denkens sei.
Neuere Forschung legt allerdings nahe, dass diese Art des Denkens bei Kindern sporadisch vorkommt, aber nicht die Regel ist (1). Damals dachte man gerne in menschheitsgeschichtlichen Entwicklungsstufen, die ähnlich verlaufen wie die individuellen Entwicklungsschritte des Menschen. Anders gesagt: Frühere oder „primitive“ Kulturen und Kinder glaubten oder glauben an Magie und die Beseeltheit von Pflanzen oder gar Steinen und Puppen. Der angeblich weiter entwickelte westliche Mensch hat dann eine höhere und „erwachsenere“ Stufe erreicht. Heute darf man vermuten, dass solche Hierarchien im Kern chauvinistisch oder rassistisch sind und zur Rechtfertigung von Privilegien und paternalistischem und ausbeuterischem Verhalten genutzt werden.
Interessant finde ich, dass gerade animistische Religiosität in der Regel weder starke Hierarchien noch die Vorstellung eines allmächtigen Alleinherrscher-Gottes kennt. Übrigens ist animistisches Denken auch heute immer wieder anzutreffen. Zum Beispiel im japanischen Volksglauben. Diesem zufolge können beispielsweise Gegenstände des täglichen Gebrauchs, vor allem wenn sie weggeworfen oder vernachlässigt werden als Tsukumogami ein Eigenleben entwickeln. MDR Wissen glaubt eine Renaissance dieses Denkens auch im Westen erkennen zu können (2).
(1) https://dorsch.hogrefe.com/stichwort/animistisches-denken
(2) https://www.mdr.de/wissen/renaissance-animismus-beseelte-gegenstaende-geist-ding-100.html
Quellenhinweis: Hans Zulliger: „Heilende Kräfte im kindlichen Spiel“. Dietmar Klotz Verlag, Eschborn 1952
Kommentar schreiben
Baphomet666 (Freitag, 03 November 2023 12:53)
Chucky for President!